Israel: Palästinenser warnen vor einer "neuen Intifada"

(c) APA/EPA/ABED AL HASHLAMOUN (ABED AL HASHLAMOUN)
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Eine Militäroperation zur Suche entführter Religionsschüler aus Israel stößt auf heftigen Widerstand. Es gibt mehrere Tote.

Jerusalem. Fünf tote Palästinenser und Dutzende Verletzte sind die bisherige Bilanz der israelischen Militäroperation im Westjordanland. Seit zehn Tagen suchen die Soldaten nach drei entführten Religionsschülern aus Israel, ohne dass die Nachrichtendienste einer erkennbaren Spur folgen. Sowohl auf palästinensischer als auch auf israelischer Seite liegen die Nerven mittlerweile blank. Mit jedem weiteren Tag von Ausgangssperren, Häuserzerstörungen, Verhaftungen und weiteren Toten wächst die Bereitschaft zum Widerstand gegen die groß angelegte Razzia. „Wir stehen an der Schwelle zu einer neuen Intifada“, fürchtet der unabhängige palästinensische Politiker und Menschenrechtler Mustafa Barghuti.

Der Protest einiger aufgebrachter Palästinenser richtete sich am Wochenende allerdings auch gegen die eigene Führung, weil diese zumindest teilweise mit der israelischen Armee und den Nachrichtendiensten kooperiert. Israels Regierungschef, Benjamin Netanjahu, hält weiter daran fest, dass die islamistische Hamas hinter der Entführung steht. Neben den Verhaftungen von Führern der Hamas und der Schließung von 40 Wohlfahrtseinrichtungen, die die Islamisten im Westjordanland unterhalten, verschärften die israelischen Gefängnisbehörden auch die Haftbedingungen für Hamas-Aktivisten. Die Männer dürfen während der WM-Spiele nicht in die Fernsehräume, die Besuche ihrer Familien wurden reduziert oder sogar ganz gestrichen.

Obschon es die Hamas am schlimmsten trifft, spricht Mustafa Barghuti von einer „Kollektivstrafe für das gesamte palästinensische Volk“. Es seien bereits mehr als 430 Palästinenser verhaftet worden. Mehr als 2200 Häuser seien durchsucht worden und „fünf Universitäten, zwei davon doppelt“. Barghuti zweifelt nicht daran, dass Israel das „politische Ziel verfolgt, die palästinensische Einheit zu brechen“. Seit Anfang Juni regiert in Ramallah eine Interimsregierung von Technokraten, auf die sich die Fatah und die Hamas zuvor geeinigt haben. Barghuti appelliert an die eigene Führung, die Sicherheitskooperation mit Israel zu beenden. Es ginge nicht an, dass „die israelischen Soldaten in unsere Städte einmarschieren, und die palästinensische Polizei komplett verschwindet“. Die Palästinenser machen sich derzeit für eine internationale Intervention, auch vonseiten des UN-Sicherheitsrats, gegen das Vorgehen der Armee stark.

Palästinenser gespalten

Rami Hamdallah, Chef der Übergangsregierung, kündigte „bedeutende Konsequenzen an“, sollte sich die israelische Vermutung bewahrheiten, dass die Hamas für die Entführung verantwortlich ist. Für Präsident Mahmoud Abbas ist das aber noch lange nicht bewiesen. „Noch gibt es keine klaren Anhaltspunkte.“ Abbas verurteilte zwar die Entführung der drei Schüler. Israel dürfe ihr Verschwinden aber nicht dazu missbrauchen, um „harte gegen unser Volk gerichtete Strafen zu verhängen“. Die Entführung dürfe „keine Rechtfertigung für ein kaltblütiges Töten sein“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.06.2014)

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