Putins glattes Gastspiel in Wien

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Präsident Heinz Fischer verteidigte den South-Stream-Vertrag mit Gazprom und lehnte Sanktionen ab. Russlands Staatschef war ganz angetan.

Wien. Gegen Ende seiner Visite in Wien erhält der umstrittene Gast uneingeschränkte Zustimmung. In der Wirtschaftskammer Wien erheben sich die Unternehmer, als Wladimir Putin den Großen Saal betritt und zollen ihm kräftigen Applaus. Nach einem Tag voller Reden über die Ukraine-Krise und dem derzeit angespannten Verhältnis zwischen Russland und der EU ist man hier in Wien endlich auf der bilateralen Ebene angelangt. Und da läuft alles bestens, heißt es: Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Russland und Österreich seien ausgezeichnet; die Wirtschaft könne - womöglich - die Probleme der Politik lösen.

Auch der russische Präsident entspannt sich nach einem Tag des ernsten Redens, er sagt ein paar Worte auf Deutsch und ist gar zu Scherzen aufgelegt. Schon drei Mal habe er Putin in seinen verschiedenen Amtszeiten begrüßen dürfen, erklärt Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl, was Russlands Staatschef mit einem ironischen Aufschrei - „Diktatur!" - quittiert und zu einem Lachen anstimmt. Man fühlt sich einander nah und unter sich, und beim nächsten Scherz, der diesmal auf Russlands Kosten geht, streichelt Bundespräsident Heinz Fischer, der neben Putin sitzt, dann gar den Rücken des Präsidenten. Wladimir soll sich bitte nicht ärgern.

„Dialogangebot" in schwierigen Zeiten

Doch zum Ärgern hatte Wladimir Putin in Wien keinen Grund. Denn so viel Zuneigung wie hier hatte er zuletzt in Europa selten erfahren. Die EU hat seit Ausbruch der Ukraine-Krise Vertraute Putins mit Einreise- und Kontosperren belegt. Wegen Russlands eskalierendem Verhalten in der Ukraine-Krise ist Putin in der EU derzeit nicht wohl gelitten - und sein halbtägiger Besuch in Wien sorgte innerhalb der EU-Partner für Diskussionen.

Kurz nach 15 Uhr fuhr die schwarze Stretchlimousine mit der russischen Fahne in den Inneren Burghof ein, 45 Minuten verspätet. Bei der gemeinsamen Pressekonferenz verteidigte Fischer zunächst die Einladung an seinen Gast aus Moskau. Es sei ein Prinzip der österreichischen Außenpolitik, gerade in schwierigen Zeiten den Dialog zu suchen. „Die Gefahr, dass man einmal zu wenig spricht, ist wesentlich größer als dass man einmal zu viel miteinander spricht." Natürlich fühle sich Österreich als loyales Mitglied an die Beschlüsse der EU gebunden. Doch ein Gespräch mit dem russischen Präsidenten verstoße nicht dagegen.

Putin stimmte seinem Gastgeber zu, dass die auf sieben Tage anberaumte Waffenruhe für die Ostukraine zu wenig sei. Es müsse Verhandlungen mit den Separatisten geben, Russlands Ziel seien Rechtsgarantien für die ostukrainischen Bürger. Das habe er auch dem neuen Präsidenten Petro Poroschenko mitgeteilt. Man sei auch weiter zur Verteidigung derjenigen Menschen bereit, die sich der „russischen Welt" zugehörig fühlten.

Zentrales Thema bei dem Pressegespräch war auch das gestern in Wien unterzeichnete South-Stream-Abkommen. OMV-Generaldirektor Gerhard Roiss und Gazprom-Chef Alexej Miller hatten schon Dienstagmittag den Bau des 50 Kilometer langen österreichischen Abschnitts der Gaspipeline South Stream vertraglich fixiert, die ab 2017 russisches Gas bis nach Österreich bringen soll. Fischer verteidigte den Deal geradezu leidenschaftlich. „Die Philosophie, wonach sich Nato-Staaten Ungarn und Bulgarien an South Stream beteiligen dürfen, Österreich aber nicht, teilen wir nicht", sagte er. Das Abkommen zwischen Gazprom und OMV sei einfach ein Vertrag zwischen „zwei Firmen".

Kritik aus der US-Botschaft in Wien

Grundsätzliche Ablehnung formulierte der österreichische Präsident gegen Sanktionen. „Von Sanktionen kann überhaupt niemand profitieren. Es ist besser, wenn man durch Aufeinanderzugehen gute Lösungen findet." Auch von der Regierung in Kiew verlangte er konstruktive Beiträge. Es gebe nicht nur Wünsche an Russland. Der russische Gast war angetan. „Österreich verfolgt eine sehr ausgewogene und objektive Politik."

Stimmen der Kritik erklangen aus anderen EU-Ländern. Außenminister Carl Bildt wurde am deutlichsten: Putin wolle die EU bloß spalten. Auch die US-Botschaft erklärte, dass seit Beginn der Ukraine-Krise die Einigkeit des Westens essenziell gewesen sei, um Russland von weiterer Aggression abzuhalten. „Österreichs Regierung, die Wirtschaftsführer und das österreichische Volk sollten sich sorgfältig überlegen, ob die heutige Veranstaltungen zu diesen Bemühungen beitragen", hieß es in einem Statement.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.06.2014)

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