WKO: Bevorzugt Wahlrecht die ÖVP?

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Im Februar wird in der Wirtschaftskammer gewählt. Das Wahlsystem sei undemokratisch und begünstige den ÖVP-Wirtschaftsbund, kritisieren Grüne und SPÖ.

Wien. Manche nennen das Wahlrecht zur Wirtschaftskammerwahl das undemokratischste, das man sich vorstellen kann. Auf jeden Fall aber ist es das komplizierteste. Es gibt rund 900 Fachgruppen, 70 Sparten und zehn Wirtschaftsparlamente – die höchste Ebene der Mitbestimmung. Im Februar wird in der Wirtschaftskammer gewählt und diese Gremien neu besetzt.

Kritiker wittern dabei schon im Vorfeld Unregelmäßigkeiten. Am heutigen Donnerstag wird über die Wahlordnung abgestimmt. Sehr zum Unmut der Opposition in der Kammer: Die aktuelle Wahlordnung diene nur dazu, die Macht des ÖVP-Wirtschaftsbundes um jeden Preis zu erhalten und habe „mit Demokratie überhaupt nichts zu tun“, kritisierten Volker Plass, Bundessprecher der Grünen Wirtschaft, und Fritz Strobl, Präsident des Sozialdemokratischen Wirtschaftsverbands (SWV) Wien auf einer Pressekonferenz am Mittwoch.

Mitgliederzahl steigt

Kernpunkt der Kritik: In den letzten zehn Jahren habe es in manchen Branchen eine explosionsartige Steigerung der Mitgliederzahl gegeben, und auch die wirtschaftliche Bedeutung der Sparten habe sich signifikant verschoben. Im Wahlkatalog würde dies nicht berücksichtigt. Die Sparte Tourismus und Freizeitwirtschaft etwa habe 14.290 Mitglieder und zehn Mandate. Die Sparte Bank und Versicherung habe ebenfalls zehn Mandate, aber nur 243 Mitglieder. Starke Zuwächse habe es auch in der Sparte Information und Consulting gegeben – in den Mandaten spiegle sich das nicht wider. Hintergrund ist das äußerst komplexe Wahlsystem. Die rund 550.000 Mitglieder der Wirtschaftskammer wählen ihre Vertretung auf der untersten Ebene, den Fachgruppen in den Bundesländern. Die Ergebnisse dieser Wahl werden dann auf die höheren Ebenen hochgerechnet. Das Wirtschaftsparlament wird also nicht direkt gewählt.

Die Mitglieder allein können nicht das einzige Kriterium sein – Industriebetriebe oder Banken sind meist Großbetriebe mit vielen Mitarbeitern, im Tourismus etwa gibt es viele kleine Familienbetriebe. Das sieht auch Plass ein. „Aber das Verhältniswahlrecht völlig außer Acht zu lassen, geht auch nicht.“ Plass und Strobl fordern eine Neubewertung der Sparten, nach der Mitgliederzahl und der wirtschaftlichen Bedeutung.

„Marxistische Räterepublik“

Aktuell seien Sparten, die dem Wirtschaftsbund nahestehen, bevorteilt und Sparten, in denen viele Ein-Personen-Unternehmen vertreten seien und die Opposition stark sei, benachteiligt. Das würde dazu führen, dass der Wirtschaftsbund in der Wiener Kammer die Mehrheit der Mandate auch dann behielte, würde er die Stimmenmehrheit verlieren. „Das System entspricht einer marxistischen Räterepublik der frühen Sowjetunion“, wettert Plass.

Peter Haubner, Generalsekretär des Wirtschaftsbundes, schoss umgehend scharf zurück: Die Rechenbeispiele seien „voll daneben“. „Mit Kritik an der Wahlordnung politisches Kleingeld auf Kosten von demokratischen Prozessen zu schlagen, ist einfach nur traurig“, so Haubner. Die Kritik bezüglich der EPU kann der Wirtschaftsbund nicht nachvollziehen. Diese seien schließlich keine eigene Branche, sondern überall vertreten. Auch Herwig Höllinger, Vize-Generalsekretär der Wirtschaftskammer Österreich, weist die Kritik zurück: Die neuen Wahlkataloge seien einem umfassenden Begutachtungsverfahren unterzogen und auf Basis dessen nochmals überarbeitet worden. Sie gewährleisteten eine angemessene Zuweisung der Mandate, so Höllinger.

Zumindest in der Wirtschaftskammer Wien könnte es für den Wirtschaftsbund, dessen bundesweiter Chef Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl ist, eng werden. Schon bei der letzten Wahl konnte er sich mit 50,33Prozent der Stimmen nur knapp die Mehrheit sichern. Dafür erhielt er 63,5 Prozent der Mandate im Wirtschaftsparlament. Aber die EPU stellen längst die Mehrheit der Kammermitglieder, und viele von ihnen fühlen sich vom Wirtschaftsbund nicht vertreten. Die Neos, die bei der Wirtschaftskammerwahl 2015 erstmals antreten, wollen vor allem bei den Kleinstunternehmen fischen. Damit könnten sie Erfolg haben. Bundesweit dürfte die Mehrheit des Wirtschaftsbundes dagegen gesichert sein: 2010 errang er 71Prozent.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.06.2014)

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