Konjunktur: Steuern und Gebühren fressen die Löhne auf

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Steigende Steuern, Gebühren und Abgaben lassen die Reallöhne in Österreich zum fünften Mal in Folge sinken. Die Menschen greifen auf ihr Erspartes zurück. Wifo und IHS senken ihre Wachstumsprognosen für Österreich.

Wien. Jeder weiß: Es gibt Brutto- und Nettolöhne. Brutto ist, was am Lohnzettel oben steht. Und netto ist, was unterm Strich auf dem Konto landet. Dazwischen werden Steuern und Sozialabgaben abgezogen. Es gibt aber auch noch den sogenannten Reallohn, der die Inflation berücksichtigt. Und weil Österreich seit Längerem unter einer überdurchschnittlich hohen Inflationsrate leidet, sinken die Reallöhne – und damit die Kaufkraft.

Laut Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo), das am Mittwoch gemeinsam mit dem Institut für Höhere Studien (IHS) seine Konjunkturprognose vorgestellt hat, sind die Reallöhne in Österreich 2013 zum fünften Mal in Folge gesunken. Heißt: Im Schnitt können sich Herr und Frau Österreicher weniger leisten als vor der Finanzkrise.

Inflations-Spitzenplatz

So sind die Bruttolöhne 2013 zwar um 2,1 Prozent gestiegen, die realen Nettolöhne aber um 0,3 Prozent gesunken. Das ist zwar weniger als 2012, als die Reallöhne um 1,1 Prozent gesunken sind, aber auch für 2014 geht das Wifo weiterhin von sinkenden Reallöhnen aus: minus 0,3 Prozent lautet die Prognose. Erst 2015 soll es wieder ein mageres Wachstum von 0,1 Prozent geben.

Diese Einbußen bei der Kaufkraft sind aber nicht etwa einer unvermeidlichen Naturkatastrophe zu verdanken, sondern schlicht eine Folge der Politik. Es sind die Erhöhungen von Steuern, Gebühren und Abgaben durch Bund, Länder und Gemeinden, die die Inflation in Österreich in die Höhe treiben. Das Wifo erwartet für heuer und für das kommende Jahr eine Inflationsrate von 1,8 – was Österreich den europäischen Spitzenplatz in Sachen Teuerung einbringt. „Wäre die Inflationsrate bei uns so wie in Deutschland (rund ein Prozent, Anm.), dann hätten wir auch einen Anstieg der Reallöhne um rund ein Prozent pro Jahr“, so Wifo-Chef Karl Aiginger.

Aber die öffentliche Hand erhöht die Inflationsrate in Österreich im Alleingang um fast einen Prozentpunkt, denn die „administrativen Preise“ – also Gebühren und Abgaben – sind um drei Prozent gestiegen und haben die Gesamtinflationsrate um 0,25 Prozentpunkte erhöht. Die jüngsten Steuererhöhungen hatten denselben Effekt: plus 0,25 Prozentpunkte. Kalte Progression und Steuerkeil (Anteil von Steuern und Abgaben an den Gesamtarbeitskosten) fügen noch einmal 0,4 Prozentpunkte dazu.



Die Folge: Privatkonsum und Inlandsnachfrage geben nach. „Die Reallöhne steigen auch heuer nicht. Der Konsum ist zwar robust, aber nur wegen der sinkenden Sparquote“, so Aiginger. Heißt: Die Österreicher geben ihr Erspartes aus, um die eingebüßte Kaufkraft zu kompensieren. „Aber man darf nicht erwarten, dass der Konsum robust bleibt, wenn die Reallöhne nicht wieder steigen“, sagt Aiginger.

Wifo und IHS senkten am Mittwoch auch prompt ihre Konjunkturprognose für Österreich. Das Wifo erwartet jetzt 1,4 Prozent plus für 2014, das IHS 1,5 Prozent. Im März waren aber beide Institute noch von einem Plus von 1,7 Prozent ausgegangen. Auch für 2015 erwarten beide Institute keine Sensationen. Für 2015 prognostiziert das Wifo ein Plus von 1,7, das IHS ist optimistischer, senkt seine Prognose aber von 2,0 auf 1,9 Prozent. Auch die Arbeitslosigkeit wird weiter klettern, so die Wirtschaftsforscher. Beide erwarten nach 7,6 Prozent Arbeitslosenquote im Vorjahr heuer einen Anstieg auf 8,1 (Wifo) bzw. 8,2 Prozent (IHS).

Sorge um Krisenherde

„Die Vorlaufindikatoren zeigen weitere Unsicherheiten an“, so IHS–Chef Christian Keuschnigg. Dazu komme die wachsende Unsicherheit wegen der Krise in der Ukraine und jener im Irak. Eine Verschärfung der Ukraine:Russland-Krise und mögliche weitere wirtschaftliche Sanktionen des Westens gegen Russland könnten den Welthandel „spürbar“ verlangsamen, so das IHS.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.06.2014)

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