Primärversorgung: Arzt als Chef? Ärger bei den anderen

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Die nicht ärztlichen Gesundheitsdienstleister sind nicht erfreut, dass Hausärzte die geplanten Netzwerke leiten sollen. In Wien wurden bereits drei Testbezirke auserkoren.

Wien. Dieses Mal setzte sich die Ärztekammer durch. Bei der Neuorganisation der Primärversorgung, die am Montag beschlossen werden soll, nahm das Gesundheitsministerium die Wünsche der Standesvertreter auf. So soll bei den geplanten Netzwerken (ein Team aus mehreren Gesundheitsdienstleistern) der Hausarzt die leitende Funktion einnehmen. Und nicht, wie geplant, mit den anderen Mitarbeitern wie Therapeuten oder Pflegern gleichberechtigt sein.

Das freut zwar die Ärztekammer – irritiert allerdings ihre (künftigen) Kollegen. Bei einer Pressekonferenz am Donnerstag haben Vertreter verschiedener nicht ärztlicher Berufsgruppen zwar die Pläne zur neuen gesundheitlichen Primärversorgung begrüßt. Für die Sonderwünsche der Ärzte hatten sie allerdings wenig übrig.

Gabriele Jaksch vom Dachverband der gehobenen medizinisch-technischen Dienste lehnt die Sonderstellung der Mediziner ab. Sie formuliert es nur etwas diplomatischer: „Ich finde es nicht ganz so toll, dass nicht der Patient im Mittelpunkt steht, sondern eine bestimmte Berufsgruppe.“ Die Überschrift des Papiers („Das Team rund um den Hausarzt“) treffe nicht ganz ihren Geschmack. Aber der Inhalt stimme sie zuversichtlich.

Doch was steckt nun genau hinter dieser neuen Primärversorgung? Im Detail wird sie am Montag in der Bundeszielsteuerungskommission beschlossen werden. Dort finden sich Vertreter von Bund, Ländern und Kassen. Die Ärztekammer sitzt nicht in dem Gremium – äußerte aber bereits ihre Wünsche und sprach sogar von Streik, sollte man diesen nicht entgegenkommen.

Weniger Patienten im Spital

Die wichtigsten Eckpunkte sind bereits bekannt: Grundsätzlich soll die erste medizinische Anlaufstelle neu organisiert werden. Durch das gebündelte Angebot an Medizinern und Spezialisten (und längeren Öffnungszeiten) sollen Anreize gesetzt werden, damit weniger Patienten die Spitalsambulanzen – und stattdessen die niedergelassenen Ärzte aufsuchen. Dies soll dem Steuerzahler weniger Geld kosten und den Patienten lange Wartezeiten ersparen.

Verschiedene Fachkräfte sollen also Teams bilden – entweder in Form einer Gruppenpraxis unter einem Dach oder dezentral. Zumindest ein Allgemeinmediziner, ein diplomierter Krankenpfleger sowie ein Ordinationsassistent müssen vertreten sein. Idealerweise schließen sich auch Logopäden, Apotheker, Psychologen etc. an. Die Teilnahme an einem Netzwerk ist nicht für alle Allgemeinmediziner verbindlich. Es soll auch weiterhin möglich sein, Einzelordinationen zu eröffnen.

Wien rüstet sich für Reform

Noch in diesem Jahr soll die Basis für die Umsetzung gelegt werden, ab 2015 können dann die ersten Teams mit der neuen Regelung gebildet werden. Bis Ende 2016 soll jedenfalls zumindest ein Prozent der Allgemeinmediziner in so einem Netzwerk arbeiten, erklärte Gesundheitsminister Alois Stöger erst diese Woche.

In Wien rüstet sich Parteikollegin und Co-Verhandlerin Sonja Wehsely jedenfalls schon für diesen Teil der Gesundheitsreform: „Wir haben drei Modelle konzipiert, die wir ausprobieren wollen“, sagt sie zur „Presse“.

„Ein Pilotprojekt soll etwa im 15. Bezirk beim ehemaligen Standort des Kaiserin-Elisabeth-Spitals entstehen.“ In diesem Umfeld würden einige sozioökonomisch schwache Menschen leben. Außerdem sei auch ein Netzwerk in der Gegend des Krankenhaus Nord geplant, um das Zusammenspiel zwischen Praxen und Spital zu testen.

Ein drittes Projekt sei in einem Stadterweiterungsgebiet geplant. Der genaue Standort stehe zwar nicht fest, es soll jedenfalls jenseits der Donau sein. „Hier leben vorwiegend junge Menschen.“ Aus den verschiedenen Projekten könne man so für die Zukunft wertvolle Erfahrung sammeln.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.06.2014)

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