Irak: Jihadisten tragen Kampf in die Vorstädte Bagdads

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In Tikrit entbrannten heftige Gefechte, die irakische Armee setzt zum Gegenschlag an. Iran leistet Hilfestellung für bedrängten Premier.

Bagdad. Während in der irakischen Hauptstadt die zersplitterten Parteien, Fraktionen und religiösen Gruppen trotz der akuten militärischen Bedrohung im Konflikt über eine Regierung der nationalen Einheit liegen, rücken die extremistischen Isil-Milizen (Islamischer Staat in Syrien und der Levante) immer näher auf Bagdad vor. In ihrem Blitzkrieg haben die sunnitischen Jihadisten inzwischen Vorstädte erreicht, die nur noch eine Stunde Fahrzeit vom politischen Zentrum des Landes entfernt sind.

Unterdessen versuchen Armee-Einheiten, die Offensive der Isil-Truppen zurückzudrängen. In Tikrit, der Geburtsstadt Saddam Husseins, sind heftige Kämpfe auf dem Universitätsgelände entbrannt. Die Isil hat die Stadt im Herzland der Sunniten erst vor zwei Wochen eingenommen. Sunnitische Stämme, Parteigänger und Ex-Offiziere des Saddam-Regimes unterstützen den Vormarsch der radikalislamischen Milizen, die erst durch den Bürgerkrieg in Syrien an Schlagkraft gewonnen haben.

Erst in der Vorwoche hat die syrische Luftwaffe Stellungen der Isil an der syrisch-irakischen Grenze bombardiert – offenbar jedoch vergebens. Die Jihadisten eroberten kurz darauf die Stadt al-Qaim und weitere Grenzposten, was auch in Jordanien und Saudiarabien die Nervosität erhöht hat.

Der Iran, Schutzmacht des syrischen Assad-Regimes wie auch des schwer in Bedrängnis geratenen irakischen Premiers Nouri al-Maliki, hat sein militärisches Engagement im Nachbarland derweil erheblich verstärkt. Laut „New York Times“ setzt das iranische Militär Überwachungsdrohnen im Irak ein, der iranische Geheimdienst operiert demnach vom Luftwaffenstützpunkt Rasheed in Bagdad aus. Transportmaschinen aus Teheran sorgen mehrmals täglich für Nachschub an Rüstung und Material.

Nach Informationen des „Wall Street Journal“ hat der Iran zudem drei Bataillone der al-Quds-Einheiten, der Elitetruppen der Revolutionsgarden, in den Irak verlegt. Ihr Kommandant, Quassam Suleimani, berät die irakischen Generäle – wie im Übrigen auch die Assad-Armee. Suleimani gilt als Mastermind des schiitischen Aufstands im Irak vor sieben Jahren, mithin als Schreckgespenst des damaligen US-Kommandeurs David Petraeus.

Diplomatische Doppelmission

Der britische Außenminister William Hague und sein US-Kollege John Kerry unternahmen unterdessen eine diplomatische Doppelmission. In Bagdad versuchte Hague Premier Maliki zum Einlenken zu bewegen, um doch einer Einheitsregierung zuzustimmen. Doch selbst unter den Schiiten, den Anhängern des radikalen Predigers Moktada al-Sadr, sind die Ressentiments gegen den Premier weit verbreitet. Eine Maliki-Rede erinnerte einen einflussreichen Abgeordneter gar an Saddam Hussein.

In Dschidda wiederum will Kerry den saudischen König Abdullah heute um Unterstützung im Kampf gegen die Isil bitten, die unter anderem von saudischen Sponsoren Starthilfe erhalten hat. (ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.06.2014)

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