Juncker wird Kommissionschef - Briten überstimmt

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BELGIUM EU COUNCIL EPP LEADER MEETING APA/EPA/OLIVIER HOSLET
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Es ist eine Zäsur in der Geschichte der EU: Erstmals wurde der Kommissionspräsident in einer Abstimmung ermittelt. Cameron nannte die Nominierung Junckers einen "schweren Fehler".

Der EU-Gipfel hat am Freitag Jean-Claude Juncker als neuen EU-Kommissionspräsidenten nominiert. Es ist eine Zäsur in der Geschichte der EU: Erstmals wurde der Kommissionschef nicht im Konsensverfahren ernannt, sondern in einer Abstimmung ermittelt. Der britische Regierungschef David Cameron und sein ungarischer Amtskollege Viktor Orban votierten gegen Juncker. Die Staats- und Regierungschefs der anderen 26 EU-Mitglieder stimmten für den 59-Jährigen, der von 2004 bis Ende 2012 auch Chef der Eurogruppe war.

Die Europäische Volkspartei war mit Spitzenkandidat Juncker als stärkste Kraft aus der EU-Wahl im Mai hervorgegangen. Und erstmals musste die Staats- und Regierungschefs das Wahlergebnis auch bei der Nominierung des neuen Kommissionschefs "berücksichtigen". Ein Automatismus war das allerdings nicht. Nach der heuteAbstimmung dürfte jedoch das Prinzip, dass die EU-Wahl über den Komissionschef entscheidet, unumkehrbar - wenn auch ungeschrieben - als Praxis verankert sein.

Cameron bezeichnete Junckers Wahl als "schweren Fehler". "Man müsse aber bereit sein, eine Schlacht zu verlieren um einen Krieg zu gewinnen", so der britische Premier. Die EU-Staaten hätten Großbritannien zugesichert, an weiteren Integrationsschritten nicht teilnehmen zu müssen. Cameron betonte, er wolle an der britischen EU-Mitgliedschaft festhalten und dafür auch bei seinem geplanten Referendum in Großbritannien werben. Sein Land müsse in einer reformierten EU gehalten werden. "Ich werde absolut alles tun, um das zu erreichen", betonte er. Aber die Aufgabe sei schwieriger geworden.

Lob für Junckers Nominierung kam von der deutschen Kanzlerin Angela Merkel. Der neue Kommissionspräsident verfüge über "euopäische Erfahrung". Sie glaube, dass Juncker "auf die Wünsche der einzelnen Mitgliedsstaaten und des Parlaments eingehen wird", erklärte Merkel.

Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann hat Juncker bereits gratuliert. Nach Ende des EU-Gipfels erklärte Faymann, die erstmalige Abstimmung über einen Kommissionschef "war keine Katastrophe". Vielmehr hätte eine fehlende Entscheidung zu einer "schweren Glaubwürdigkeitskrise" der EU geführt. Und Vizekanzler Michael Spindelegger erklärte über seinen Parteifreund aus Luxemburg: "Jean-Claude Juncker verbindet Erfahrung und Zukunftsorientierung. Er hat die Durchsetzungskraft, um Europa in Zukunft noch besser zu machen" und er habe sich in den vergangenen Jahren als "großer Freund Österreichs, der immer ein offenes Ohr für unsere Anliegen hat" bewährt.

Juncker wird am 16. Juli im EU-Parlament als Kommissionspräsident bestätigt. Die beiden großen Parteifamilien Konservative und Sozialdemokraten sowie die Liberalen haben bereits im Vorfeld die Unterstützung des früheren luxemburgischen Ministerpräsidenten und langjährigen Eurogruppen-Chefs angekündigt.

Die weiteren EU-Topjobs sollen auf einem EU-Gipfel am 16. Juli vergeben werden. Konkret geht es um den Posten des EU-Außenbeauftragten, den EU-Ratspräsidenten und den Vorsitzenden der Eurogruppe.

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