Die Achse der Autokraten

A Georgian woman carries her belongings from her damaged home in Gori
A Georgian woman carries her belongings from her damaged home in Gori(c) REUTERS (DAVID MDZINARISHVILI)
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Zwischen Moskau, Peking, Kairo und Bangkok sind autoritäre Regime auf dem Vormarsch. Der Westen, wirtschaftlich und politisch geschwächt, sieht gelähmt zu, wie sich die Weltordnung verschiebt.

Vom „Ende der Geschichte“, vom globalen Siegeszug liberaler Demokratien, den der US-Politologe Francis Fukuyama vor 25 Jahren nach dem Zusammenbruch des Kommunismus euphorisch diagnostiziert hat, kann keine Rede mehr sein. Auf dem Vormarsch sind weltweit Autokraten. Beispiele gefällig? Im Nahen Osten scheiterte das demokratische Experiment kläglich. In Ägypten entriss die Armee den Islamisten die Macht, in Libyen ist ein ähnlicher Versuch im Gang, in Syrien hielt sich Diktator Assad an der Macht. Vom Arabischen Frühling ist außer Blut und Tränen nichts geblieben. Auch Südostasien erlebte einen Rückschlag: In Thailand putschten Generäle.

Das chinesische Regime sitzt fester denn je im Sattel, und Russlands Präsident Putin hält mit seiner konfrontativen Kraftmeierei im Stil des Kalten Kriegs die Welt in Atem.


Galionsfigur Putin. Eine neue antiamerikanische Achse der Autoritären ist im Entstehen. Und eine ihrer Galionsfiguren ist Putin. Keiner bietet dem Westen kecker die Stirn, keiner rüttelt unverfrorener an der Weltordnung. Indem der Kreml-Chef Grenzen verschob und sich Teile eines fremden Territoriums, die ukrainische Krim, einverleibte, schuf er einen Präzedenzfall, der am anderen Ende der Welt mächtige Nachahmer finden könnte. China stellt seit Längerem Gebietsansprüche an Nachbarn. Es wird genau studieren, welche Konsequenzen der Völkerrechtsbruch für Moskau haben wird, und daraus seine Schlüsse ziehen.

Bis dato blieb Russlands Aggression weitgehend ungestraft. Putin selbst wird wie zuletzt in Wien wieder der rote Teppich ausgerollt. Er hat leichtes Spiel, Europa zu spalten. Kaum lockt er mit Aufträgen, zerfällt die Phalanx wie ein Kartenhaus. Die Österreicher sind wahrlich nicht die einzigen Opportunisten im Bunde. Paris hält trotz der Ukraine-Krise an einem milliardenschweren Rüstungsdeal fest und will Russland weiterhin zwei Hubschrauberträger verkaufen.


Kein Wandel durch Handel.
Mit der Prinzipientreue des Westens ist es nicht weit her, sobald Geschäfte winken. „Wandel durch Handel“ lautete lange das Motto für den Umgang mit autokratischen Regimen. Dahinter steckte die Illusion, dass mit den Waren gleichsam auch Freiheitsideen mitgeliefert und sich die unterdrückten Gesellschaften von selbst demokratisieren würden, sobald sie reicher wären. Der wohlhabende Mittelstand, so die These, werde früher oder später Teilhabe an der Macht fordern. Eine Revolution in China sei demnach nur eine Frage der Zeit. Darauf wartet man jetzt auch schon 25 Jahre vergeblich.

Mittlerweile haben die Demokratien westlicher Bauart an Attraktivität verloren. Erstens erlahmten sie wirtschaftlich, zweitens traten eklatante Schwächen in ihren politischen Entscheidungsprozessen zutage. Die Autokratien hingegen, allen voran China, wurden ökonomisch potenter. Folglich verschob sich spätestens seit Ausbruch der Finanzkrise das internationale Machtgefüge.

Russland und China üben inzwischen ihre Macht auch „sanft“ aus: Ihr repressives Modell eines nationalistisch aufgeladenen Staatskapitalismus wird wegen Erfolgs kopiert. Neuerdings legt Putin auch eine ideologische Leimrute aus, indem er Russland zum konservativen Bollwerk gegen „Gayropa“, das schwule und moralisch verderbte Europa, stilisiert. Mit dem kalkulierten Tabubruch findet der Kreml-Chef auch in Europa Anhänger in reaktionären Milieus, die er medial mit dem internationalen Fernsehsender Russia Today und über soziale Netzwerke gezielt anspielt. Barack Obama und Co. schauen derweil erstaunt zu, wie Chinesen und Russen ihre Einflusszonen erweitern. Will der Westen warten, bis die Autokraten (einem noch größeren Teil) der Welt ihre Regeln aufzwingen? Es wäre an der Zeit, dagegenzuhalten und den Vormarsch der Feinde der Freiheit zu stoppen. Denn Demokratie ist kein Selbstläufer – und die Geschichte noch lange nicht zu Ende.

christian.ultsch@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.06.2014)

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