Über keinen Kriegsbeginn wurde so kontrovers diskutiert wie über die Ereignisse vom Juli 1914. Das 100-Jahr-Jubiläum hat die Debatte wiederbelebt. Neueste Forschungsliteratur in Zitaten.
Der Hauptteil der Verantwortung für den Kriegsausbruch muss nach wie vor in den Entscheidungen Österreich-Ungarns und Deutschlands verortet werden. Diese beiden Großmächte hatten es auf einen Krieg abgesehen, bevor die Regierungen der anderen Großmächte überhaupt wussten, dass ein europäischer Konflikt bevorstand.“
Annika Mombauer, Historikerin,
Großbritannien
„Der Krieg wurde herbeigeführt, mehr noch, er wurde entfesselt. Und Österreich-Ungarn war es, das die Fesseln löste.“
Manfried Rauchensteiner,
Historiker, Österreich
„Die später behauptete Alleinschuld Deutschlands am Ausbruch des Krieges zu relativieren, indem man die Verantwortung aller Akteure mit einbezieht, bedeutet keine unangemessene Apologetik. Eher zeigt sich an den gegenseitigen Fehlwahrnehmungen und hypertrophen Unterstellungen, wie die Krise alle Beteiligten zunehmend überforderte.“
Jörn Leonhard, Historiker, Deutschland
„Meine Folgerungen sind eindeutig: Das Deutsche Reich und Österreich-Ungarn haben sich auf ein Vabanquespiel eingelassen, das den Schritt in den Großen Krieg nicht scheute, um die Balance in der europäischen Politik zu ihren Gunsten zu wenden.“
Gerd Krumeich, Historiker,
Deutschland
„Der Kriegsausbruch von 1914 ist kein Agatha-Christie-Thriller, an dessen Ende wir den Schuldigen im Konservatorium über einen Leichnam gebeugt auf frischer Tat ertappen. In dieser Geschichte gibt es keine Tatwaffe als unwiderlegbaren Beweis, oder genauer: Es gibt sie in der Hand jedes einzelnen wichtigen Akteurs. So gesehen war der Kriegsausbruch eine Tragödie, kein Verbrechen.“
Christopher Clark, Historiker,
Großbritannien
„Für die Kriegspartei in Wien war die Julikrise die willkommene Gelegenheit, Serbien in die Schranken zu weisen. Dabei nahm Österreich-Ungarn schon wenig Rücksicht auf die anderen Mächte. Insofern geht ein großer Teil der Schuld am Ausbruch des Ersten Weltkriegs auf das Konto der österreichischen Führung.“
Oliver Janz, Historiker, Deutschland
„Von dem Moment an, als sich Princips Nahschuss löste, standen sich die Hüter des europäischen Friedens nur noch gegenseitig im Weg. Obgleich es nichts zwischen ihnen gab, das sich der politischen Lösung entzog, redeten alle bloß in den Wind.“
Jörg Friedrich, Historiker, Deutschland