ISIS-Extremisten rufen "Islamisches Kalifat" aus

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Die Jihadistengruppe soll die Schaffung dieser vor fast hundert Jahren verschwundenen islamischen Staatsform verkündet haben. Die irakische Armee hat indes offenbar weitere Teile von Tikrit eingenommen.

Die im Irak und Syrien kämpfenden ISIS-Extremisten haben am Sonntag die Gründung eines "Kalifats" bekannt gegeben. In einer online veröffentlichten Audiobotschaft verkündete die radikalsunnitische Organisation die Schaffung dieser vor fast hundert Jahren verschwundenen islamischen Regierungsform. Ihren Chef Abu Bakr al-Baghdadi ernannte sie zum "Kalifen" und damit zum "Anführer aller Muslime". Die irakische Armee hat indes offenbar weitere Teile von Tikrit eingenommen.

Die Ausrufung des Kalifats dürfte nun für die von der ISIS kontrollierten Gebiete im Irak und in Syrien gelten. Die Errichtung des Kalifats sei bei einer Sitzung der Shura (des Rates) der Gruppe beschlossen worden, sagte der ISIS-Sprecher Abu Mohammed al-Adnani in der Audiobotschaft. Al-Adnani zufolge nennt sich die Gruppe fortan "Islamischer Staat" - zuvor hatte sie sich "Islamischer Staat im Irak und in Großsyrien" (ISIS) genannt. Das Kalifat sei "der Traum jedes Muslims" und "der Wunsch jedes Jihadisten", sagte der Sprecher. Die Authentizität der Aufnahme ließ sich jedoch zunächst nicht überprüfen.

Übersichtskarte Nahost mit Provinzgrenzen des ehemaligen Osmanischen Reichs, derzeit von ISIS kontrollierte Gebiete.
Übersichtskarte Nahost mit Provinzgrenzen des ehemaligen Osmanischen Reichs, derzeit von ISIS kontrollierte Gebiete.(c) APA

1924 endete das letzte Kalifat

Zwischen dem siebenten und dem 16. Jahrhundert erlebte das Kalifat seine Blütezeit. Mit dem Zerfall des Osmanischen Reiches 1924 endete das letzte Kalifat. Die ISIS hatte am 9. Juni eine Offensive gegen die Regierung in Bagdad begonnen. Die radikale Sunnitengruppe brachte seitdem große Teile des Nordirak unter ihre Kontrolle. Die ISIS kämpft auch im benachbarten Syrien gegen die dortige Regierung. Ihr Ziel war stets die Gründung eines grenzübergreifenden islamischen Staates in der Region.

Die irakischen Streitkräfte setzten am Sonntag ihre am Vortag gestartete Großoffensive gegen das zentralirakische Tikrit - die Heimatstadt Saddam Husseins - mit zahlreichen Luftangriffen fort. Nach Angaben von Augenzeugen wurden mehrere Bezirke sowie ein früherer Palast des Ex-Machthabers angegriffen. Laut einem Sprecher von Regierungschef Nuri al-Maliki rückten Regierungstruppen aus mehreren Richtungen auf Tikrit sowie auf die überwiegend von Schiiten bewohnte Ortschaft Bashir südlich von Kirkuk vor.

Weitere Teile von Tikrit eingenommen

Bei ihrer Offensive gegen die ISIS-Milizen hat die irakische Armee nach eigenen Angaben weitere Teile der Stadt Tikrit eingenommen. Die Soldaten seien am Sonntagabend sehr nahe an das Gebäude des Provinzrates und andere Regierungseinrichtungen herangerückt, sagte ein Offizier der Nachrichtenagentur dpa.

Die Offensive werde fortgesetzt, um die Isis-Kämpfer zur Aufgabe zu zwingen. Die Angaben ließen sich von unabhängiger Seite nicht überprüfen.

Die irakische Armee hatte am Wochenende eine Offensive begonnen, um die 170 Kilometer nordwestlich von Bagdad gelegene Stadt zu befreien. Kämpfer der extremistischen Sunnitengruppe Islamischer Staat im Irak und in Syrine (Isis) hatten sie am 11. Juni eingenommen. Tikrit ist strategisch wichtig, da die Stadt an einer Hauptverbindungslinie zwischen dem Norden des Irak und der Hauptstadt Bagdad liegt.

Kampf gegen ISIS

Vor allem Deutschland und Israel haben unterdessem zum Kampf gegen ISIS aufgerurfen. "Alle müssen ein Interesse daran haben, dass sich ISIS nicht festsetzt und in dem ausgerufenen sogenannten Kalifat eine Brutstätte für Terror und Gewalt entstehen lässt", sagte der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier am Montag in Berlin bei einer Pressekonferenz mit seinem Amtskollegen Avigdor Lieberman aus Israel.

Der ISIS-Vormarsch bedrohe die territoriale Einheit des Irak. Lieberman äußerte allerdings Zweifel daran, dass sich die staatliche Einheit des Irak aufrechterhalten lasse. Die Realität sehe so aus, "dass sich ein unabhängiger kurdischer Staat nicht verhindern lässt". Im Nordwesten des Irak haben die Kurden eine weitgehend autonome Region geschaffen. Sie streben die Bildung eines eigenständigen Staates an.

Steinmeier und Lieberman betonten, die Lösung der Probleme im Irak müsse aus dem Irak selber kommen. Lieberman sagte mit Blick auf den irakischen Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki, personelle Änderungen im Irak seien nötig. Westliche Staaten werfen Maliki vor, eine Regierung der nationalen Einheit zu verhindern und damit zum Erstarken von ISIS beigetragen zu haben.

(APA/AFP/dpa)

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