Wiens Betriebe leiden unter überbordender Bürokratie

Eine Arbeitsgruppe mit der Stadtregierung könnte Entlastungspotenziale aufzeigen – und so die Konjunktur beleben.

Die aktuellen Wiener Arbeitslosenzahlen sind mit einem Anstieg von 21 Prozent ein Alarmsignal. Denn 99.000 Wienerinnen und Wiener ohne Beschäftigung stehen nicht nur für knapp einhunderttausend persönliche Schicksale, sondern auch für einhunderttausend Talente und Fähigkeiten, die ungenützt bleiben. Umso wichtiger ist es, dass die Unternehmer endlich Rahmenbedingungen vorfinden, die zur Aufnahme neuer Mitarbeiter motivieren.

Anders gesagt: Es braucht rasch konjunkturbelebende Maßnahmen, die die Innovationskraft und Leistungsstärke der Betriebe unterstützen, damit neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Faktum ist, dass nur ein stabiles Wirtschaftswachstum Garant für eine Entspannung des Arbeitsmarktes ist. Die aktuellen Konjunkturprognosen lassen zwar zuversichtlich in die Zukunft blicken. Jetzt müssen aber Schritte gesetzt werden, damit aus dem zarten konjunkturellen Rückenwind eine starke, stete Brise wird, die unsere Wirtschaft vorantreibt und wieder beschleunigt. Dabei geht es nicht um die Forderung nach kostenintensiven Programmen oder Förderungen, sondern um die administrative und finanzielle Entlastung der Betriebe, um Ressourcen für Investitionen, Innovationen und Arbeitsplätze freizusetzen.

Hohe Bürokratiekosten

Wo aber ansetzen? Eine der größten Belastungen für Unternehmer ist die überbordende Bürokratie. So fallen für einen Wiener Betrieb pro Mitarbeiter 1900 Euro an Bürokratiekosten an, 1,2 Mrd. Euro pro Jahr. Die ausufernde Bürokratie hemmt die Konzentration der Unternehmer auf ihre Kernaufgaben und somit die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Dabei würde eine Entlastung neben den Betrieben auch dem Arbeitsmarkt zugute kommen. Eine Studie hat ergeben, dass 11.300 zusätzliche Jobs in Wien geschaffen werden könnten, wenn die Bürokratie um ein Viertel gesenkt wird.

Möglichkeiten, die Unternehmer administrativ und finanziell zu entlasten, gibt es jedenfalls viele. Etwa im Bereich der immer detaillierter werdenden Vorgaben, die die Unternehmer beim Wirtschaften treffen und allein in Wien über 9000 Paragrafen umfassen. Hier muss es in Zukunft heißen „one in – one out“. Für jedes neue Gesetz oder jede neue Verordnung soll im Gegenzug eine bereits bestehende Norm wegfallen. Dazu zählt auch, dass bei der Erlassung neuer Rechtsvorschriften zu prüfen ist, ob eine Befristung sinnvoll ist. Eine regelmäßige Evaluierung, ob bestehende Gesetze überholt oder praxisfern sind, muss Bestandteil des Gesetzgebungsprozesses sein. Zuletzt soll die Verwaltung ihre Rolle als Partner der Unternehmer stärker wahrnehmen. Strafen wären dann das letzte Mittel, Toleranzschwellen würden vorgesehen, Kontrollen in angemessener Form erfolgen.

Unsere Vorschläge liegen auf dem Tisch. Setzen wir doch gemeinsam mit der Stadt Wien eine Arbeitsgruppe ein, um bürokratische Entlastungspotenziale zu erheben und umzusetzen. Ergebnis sollte eine Sammelnovelle zum Bürokratieabbau sein, die in relevanten Gesetzen Verwaltungsvereinfachungen für Betriebe vorsieht.

Der Autor ist Präsident der Wirtschaftskammer Wien.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.07.2014)

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