US-Militärs zeichnen düsteres Bild von irakischer Armee

Chairman of the Joint Chiefs Gen. Dempsey speaks during the defense subcommittee of the Senate Appropriations Committee on Capitol Hill in Washington
Chairman of the Joint Chiefs Gen. Dempsey speaks during the defense subcommittee of the Senate Appropriations Committee on Capitol Hill in Washington(c) Reuters
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Regierungstruppen könnten zwar Bagdad verteidigen, nicht aber zur Gegenoffensive ansetzen, lautet das Fazit im Pentagon.

Bagdad/Washington. Martin Dempsey gilt als ein Mann des offenen Worts, und was der US-Generalstabschef im Pentagon in seiner ernüchternden Einschätzung über den Zustand der irakischen Armee zu sagen hat, ist bezeichnend für ihre desolate Situation. Die Regierungstruppen seien zwar in der Lage, die Hauptstadt Bagdad gegen die radikalen sunnitischen Milizen des IS (Islamischer Staat) zu verteidigen; sie seien jedoch nicht fähig, eine Gegenoffensive zu starten, um verlorenes Terrain im Norden und Westen des Landes zurückzuerobern – zumindest nicht ohne Unterstützung aus dem Ausland, wie er andeutete. Die logistische Herausforderung für den Irak, gegen die Jihadisten vorzugehen, sei schlicht zu groß.

Ein Teil der von den US-Truppen ausgebildeten und hochgerüsteten irakischen Armee hatte angesichts des Blitzkriegs der Extremisten vor einem Monat Hals über Kopf die Flucht ergriffen. Sie ließen dabei auch hochkarätiges Kriegsgerät zurück, Pick-up-Trucks, Humvees und sogar mehrere Helikopter wurden so zur leichten Beute für den IS. In Scharen melden sich seither schiitische Freiwillige, um die Reihen der Regierungstruppen aufzufüllen.

Der IS hat wichtige Ölfelder im Irak unter seine Kontrolle gebracht, und der Schmuggel mit irakischem Rohöl über die autonome Kurdenregion ist laut Polizeiangaben auch bereits in Schwung gekommen. Indessen konzentrieren sich die Kämpfe auf die Stadt Tikrit, rund 130 Kilometer nordwestlich von Bagdad. Die irakische Armee setzt dabei vor allem auf Hubschrauberangriffe, allmählich verlagern sich die Gefechte in die Straßen der Geisterstadt. Denn nach Augenzeugenberichten haben 95 Prozent der Bevölkerung die Stadt verlassen, die Jihadisten hätten Sprengfallen aufgestellt.

Die Läden seien geschlossen, Nahrungsmittel knapp und die Benzin- und Gasreserven aufgebraucht. Iraks Armee gelang derweil ein Etappenerfolg: Sie nahm das Dorf Awja ein, Saddam Husseins Geburtsort in der Nähe Tikrits – und damit auch eine Schnellstraße nach Samarra, einem Heiligtum der Schiiten. Die Regierungseinheiten schlugen die IS-Milizen jenseits des Tigris-Flusses in die Flucht.

Geschachere in Washington und Bagdad

Für die USA hat sich am Bedrohungsszenario aber nichts geändert. Inklusive Wachpersonal für die US-Botschaft in Bagdad und CIA-Agenten weitete die frühere Besatzungsmacht ihr Kontingent im Irak inzwischen wieder auf beinahe 1000 Mann aus. 600 Militärberater und Spezialkräfte sollen Aufklärung für Washington liefern, Dempsey spricht schon von einer signifikanten Verbesserung des Geheimdienstmaterials. Einen erneuten Einsatz von US-Bodentruppen schloss Präsident Barack Obama zwar dezidiert aus, die Option von Luftangriffen steht indessen sehr wohl zur Debatte – allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen, wie Dempsey betonte.

Wie zuvor auch die Spitzen der US-Politik drängte auch der US-Generalstabschef die irakischen Parteien zu einer Einheitsregierung. Währenddessen machte der Stabschef des Kurden-Präsidenten, Massud Barzani, in Washington Stimmung für die kurdischen Interessen. Fuad Hussein pochte auf den Einschluss der ölreichen Stadt Kirkuk in die autonome Kurdenzone. Zugleich treibt Barzani die Unabhängigkeitsbestrebungen voran.

In Bagdad ist das Geschachere in Gang gekommen. Der sunnitische Ex-Parlamentspräsident Osama al-Nujaifi bot dem schiitischen Premier Maliki einen Deal an: Für den Fall eines Rückzugs des Premiers würde auch er auf eine Kandidatur verzichten. (ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.07.2014)

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