„Mehrere hundert Millionen“ vermisst Finanzminister Spindelegger im Budget. Sparen will er vor allem bei den Pensionen.
Wien. Der richtige Zeitpunkt für eine Steuerentlastung ist seit Freitag nur noch einer von mehreren Streitpunkten innerhalb der Koalition, womöglich nicht einmal mehr der wichtigste. Die neue Lücke, die eine schleppende Konjunktur im Staatshaushalt hinterlassen hat, veranlasste die ÖVP dazu, weitere Pensionsreformen zu verlangen. Für die SPÖ kommt das einer Provokation gleich.
Es ist also wieder da, das Budgetloch. Im Vollzug gebe es Abweichungen in der Höhe von „hunderten Millionen Euro“, zog Finanzminister Michael Spindelegger am Freitag nach den dieswöchigen Gesprächen mit allen Ministern Bilanz. Eine konkrete Zahl wollte er nicht nennen: Jedes Ressort sei zum Sparen aufgefordert, meinte der Vizekanzler gegenüber der Austria Presse Agentur.
Und dann sagte der Finanzminister jenen Satz, der schwerwiegende Folgen für die Zusammenarbeit mit der SPÖ haben könnte: Die größte Herausforderung gebe es „sicher bei den Frühpensionen“ – in diesem Bereich seien weitere Reformen vonnöten. Wie ÖVP-Finanzstaatssekretär Jochen Danninger zweifelt auch Spindelegger die jüngsten Pensionsstatistiken von Sozialminister Rudolf Hundstorfer an, auch wenn er – anders als Danninger – das Wort „Schönfärberei“ nicht in den Mund nahm. Der Finanzminister sagte nur, die Trendwende, die Hundstorfer erkennen will, sei für ihn „absolut nicht sichtbar“.
Der Sozialminister soll über diesen öffentlichen Misstrauensbeweis nicht gerade erfreut sein, wie es in SPÖ-Kreisen heißt. Nach außen hin blieb er aber sachlich – und bei seinen Aussagen: Das faktische Pensionsantrittsalter sei zwischen Jänner und Mai 2014 um mehr als acht Monate auf 58,77Jahre gestiegen (verglichen mit demselben Zeitraum des Vorjahres). Die „deutlichen Verschärfungen bei allen Frühpensionsformen“ zeitigten also bereits erste Erfolge, weshalb es vorerst keinen weiteren Reformbedarf gebe. Hundstorfer wähnt die Regierung auf einem guten Weg, ihr Ziel – bis 2018 soll das faktische Pensionsalter auf 60,1 Jahre erhöht werden – zu erreichen. Dabei habe es „keinen Sinn, alle paar Monate nach neuen Maßnahmen zu rufen“.
Den ÖVP-Verdacht, er hätte jene Personen, die nun ein Reha-Geld anstelle der Invaliditätspension beziehen, nicht in die jüngste Statistik eingerechnet, konnte der Sozialminister vorerst aber nicht entkräften: Die Details will er erst im Juli nachreichen.
Breitbandausbau muss warten
Allerdings ist auch der budgetäre Korrekturbedarf von „hunderten Millionen Euro“ in den bisher veröffentlichten Zahlen des Finanzministeriums noch nicht zu erkennen. Mit einem starken Plus bei den (Steuer-)Einnahmen und geringen Ausgabensteigerungen wurde der Plan bis Mai weitgehend erfüllt. Ausreißer nach oben waren die Bereiche Arbeitsmarkt, Soziales, Landwirtschaft sowie die Beamtenpensionen (siehe Grafik). Insgesamt lag das Wachstum von Jänner bis Mai 2014 mit nur 0,2 Prozent deutlich unter dem für das Gesamtjahr vorgesehenen Plus von 3,9 Prozent.
Schlechte Nachrichten gab es deshalb auch für Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) und Infrastrukturministerin Doris Bures (SPÖ). Die beantragten Gelder für die Strafvollzugsreform und den Breitbandausbau werden zumindest heuer noch nicht fließen. Bures erinnerte Spindelegger daran, dass man spätestens 2015 mit der Anstoßfinanzierung beginnen müsse, wenn es bis 2020 flächendeckend Breitbandinternet geben solle. Überhaupt kann die SPÖ die Sorgen nur bedingt nachvollziehen. Es gebe „keine Dramatik beim Budget, sagte Finanzstaatssekretärin Sonja Steßl. Man sei im Wesentlichen „auf Kurs“. (pri)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.07.2014)