Vollverschleierung: Definiere „Burkaverbot“

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Wie ist die Rechtslage, wer trägt Gesichtsschleier, und warum reden alle von der Burka? Ein „Presse“-Guide zur Debatte.

Wien/Paris. In Österreich wird wieder über das Verbot der Vollverschleierung islamischer Frauen debattiert. Anlass ist ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der ein solches Verbot in Frankreich für zulässig erklärt hat. Die FPÖ wird kommende Woche im Parlament einen Antrag für ein Verbot einbringen. Die anderen Parteien sind zwar gegen das Burka-Tragen, aber inzwischen eher gegen ein Verbot. Aber worum geht es eigentlich bei der Diskussion? Wie groß ist das Problem, und wie ist die Rechtslage? Ein „Presse“-Guide zur Debatte.

1 Warum reden bei Vollverschleierung alle von der Burka?

Die Burka wurde um die Jahrtausendwende durch die Medienberichterstattung aus Afghanistan zum Synonym für die vollständige Verschleierung von Frauen. Tatsächlich handelt es sich bei dem Kleidungsstück mit einem Gitter vor dem Gesicht um eine regionale Tracht, die außer in Afghanistan und Pakistan kaum verbreitet ist. Der Gesichtsschleier, der hierzulande gelegentlich zu sehen ist, ist meist ein Niqab.

2 Wie viele Vollverschleierte gibt es in Österreich, und wer macht das?

Man weiß es nicht. Man kann nur sagen, dass die Zahl der Frauen klein ist – vermutlich zwischen 100 und 300. Unter einem Ganzkörperschleier stecken öfter hiesige Konvertitinnen, Muslimas aus dem arabischen Raum oder aus Bosnien. Im ersten Bezirk in Wien trifft man vor allem Touristinnen, immerhin gilt Wien als „Topseller“ im arabischen Raum. Bei einem Verbot hätte man international „sicher Erklärungsbedarf“, sagt der Chef des Wien-Tourismus, Norbert Kettner. Denn auch im arabischen Raum würden die Frauen über die Urlaubsdestination entscheiden.

3 Wie viele Frauen werden zur Vollverschleierung gezwungen?

Auch hier gilt: Man weiß es nicht. Eine Schätzung lautet: jede Zweite, aber diese Zahl ist durch nichts gesichert. Carla Amina Baghajati, Sprecherin der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGiÖ), kennt keinen Fall von Zwang. Wobei: Wann beginnt der? Integrationsforscher Kenan Güngör gibt zu bedenken, dass eine starke, diesbezügliche Erwartungshaltung der Familie einen Druck ausüben kann. Die Frauen, sagt der islamische Religionspädagoge Ednan Aslan würden teilweise „theologisch versklavt – das kann schlimmer sein als physischer Zwang“.

4 Wie ist die Rechtslage zur Vollverschleierung in Österreich?

Vollverschleierung ist erlaubt, sofern es sich nicht um Situationen handelt, wo ein Gesichtsschleier gefährlich ist (beim Autofahren) oder einer Identifizierung im Weg steht. Also etwa, wenn man sich bei einer Behörde ausweisen muss, wenn man eine Prüfung ablegt oder wenn die Jahreskarte (mit Foto) für öffentliche Verkehrsmittel kontrolliert wird. Und: Wer als Angeklagte vor Gericht steht, darf bei der Vernehmung keinen Gesichtsschleier tragen. Banken dürfen übrigens vollverschleiert betreten werden. Die Hausordnung der Erste Bank sieht zwar („um Missverständnissen vorzubeugen“) vor, dass man einen Motorradhelm beim Betreten abnehmen muss, für den Gesichtsschleier gilt das nicht. Wenn sich eine Vollverschleierte für eine Transaktion ausweisen muss, muss sie in einem separaten Raum ihr Gesicht zeigen. Bisher habe man keinen Fall gehabt.

5 Was sagt der Koran zur Vollverschleierung?

Es gibt drei Suren, aus denen islamische Gelehrte eine Verschleierungspflicht für Frauen herleiten. Eine davon schreibt vor, dass Gläubige, die die Gattin des Propheten Mohammed um etwas bitten, dies hinter einer Abschirmung („Hidschab“) tun. Je nach Land und Tradition werden die betreffenden Stellen unterschiedlich streng ausgelegt – von der Minimalvariante Kopftuch bis zur Burka, die den kompletten Körper verdeckt.

6 Wie sind die Erfahrungen mit einem Verbot – etwa in Frankreich?

In Frankreich gilt das Verbot der integralen Verschleierung seit 2011. Seither gab es deswegen 700 Polizeikontrollen. Viele Frauen waren „Wiederholungstäterinnen“ (in einem Fall wurden bereits 33 Geldstrafen verhängt). Die meisten Bußen und Anwaltskosten wurden von einem Geschäftmann, der islamischen Fundamentalisten nahesteht, bezahlt. In Ausnahmefällen betraf das Verbot auch Einreisende aus Saudiarabien am Flugplatz. Insgesamt ist die integrale Verschleierung ein Randphänomen. Im Pariser Vorort Trappes kam es nach einer Kontrolle, bei der sich eine verschleierte Frau schikaniert fühlte, zu Zusammenstößen. Einzelne Polizisten sollen sich seitdem weigern, wegen des Burkaverbots vollverschleierte Frauen anzuhalten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.07.2014)

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