Caritas-Experte: „Wenn man die Pflege verbessert, wird auch der Job attraktiver“

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Caritas-Experte Kurt Schalek fordert eine Reform der Ausbildung und Karrierechancen. Und: Für Familien brauche es mehr Engagement.

Wien. Wie man hierzulande mehr Menschen für die Arbeit mit Älteren motivieren kann? Womöglich, indem man eben die Pflege und Betreuung der alten Menschen verbessert. „Die Frage ist: Was wollen wir den Menschen bieten, die Pflege und Betreuung brauchen? Wenn wir hier Verbesserungen erzielen, wird auch der Beruf attraktiver“, sagt Caritas-Pflegeexperte Kurt Schalek. „Das sehe ich als Win-win-Situation.“ Dass die Arbeit mit alten Menschen derzeit wenig reizvoll sei, liege vor allem an den Arbeitsbedingungen – „der Beruf wird darauf reduziert, dass man schnell ein paar Handgriffe beim Herrn Huber oder bei der Frau Maier macht und dann sofort weiterhastet“. Dabei sei gerade der Beziehungsanteil – also die Zeit, die man für jeden einzelnen Menschen hat – nicht nur notwendig, sondern er mache für viele (potenzielle) Fachkräfte den Reiz des Jobs aus. Natürlich sei das eine Frage der Finanzierung. „Aber das müssen wir diskutieren, wenn wir über Attraktivität der Pflege sprechen.“

Schalek fordert außerdem Reformen bei der Ausbildung: „Es braucht breitere Möglichkeiten.“ So müssten Pflege- und Betreuungsberufe stärker ins Regelschulwesen integriert werden. Das Problem: Derzeit können Pflegeausbildungen erst ab einem Alter von 17 begonnen werden – die Pflichtschule endet aber früher. „Da klafft eine Lücke, durch die wir viele Leute verlieren“, sagt Schalek. „Man muss jungen Leuten etwas anbieten, was den Anschluss gewährleistet.“ Eine Möglichkeit seien etwa berufsbildende Schulen für den Pflegebereich.

Karrierechancen – horizontal, vertikal

„Ich denke auch, dass man die Jugendlichen nicht sofort auf die Altenpflege festnageln muss“, meint Schalek. „In den Betreuungs- und Pflegeberufen gibt es ein sehr breites Spektrum. Man darf nicht vergessen, dass die Nachfrage nicht nur im Altenbereich schlagend wird, sondern auch im Gesundheitsbereich.“ Zentral sei eine bessere Durchlässigkeit zwischen den einzelnen Bereichen, etwa zwischen der Kranken- und Altenpflege. Schalek plädiert für ein Modulsystem. „Es muss möglich sein, sich inhaltlich weiterzuentwickeln, wenn man schon einmal im Pflegebereich ist, um nicht die Vorstellung zu haben, ein Leben lang im selben Job bleiben zu müssen, sondern sein Tätigkeitsfeld je nach Lebensphase, Interessen oder Familienlage anpassen zu können.“

Auch mehr Möglichkeiten für klassische, vertikale Karrieren seien wichtig, damit die Altenpflege attraktiver werde. Etwa der Aufstieg in Leitungsfunktionen („Es ist durchaus sinnvoll, dass manche den Weg in die tertiäre Bildung gehen.“) Auch die fachliche Karriere sei eine Option. Und die gehöre dringend verbessert. „Eine Fachkraft, die etwa die Ausbildung zur Wundmanagerin absolviert hat, kennt sich in dem Bereich oft besser aus als der Hausarzt – aber sie darf nicht mehr entscheiden als vorher.“ Damit Fachkarrieren – und damit der Job an sich – reizvoll würden, müssten Zusatzausbildungen mehr Verantwortung mit sich bringen.

Pfleger müssen gesund bleiben können

Um die künftigen Herausforderungen in der Pflege zu meistern, sei es aber auch zentral, die derzeitigen Pflegekräfte zu halten – häufig steigen diese nämlich vorzeitig aus dem Beruf aus, oft aus gesundheitlichen Gründen „Es ist zentral, sich Gedanken zu machen, wie Pflegekräfte in ihrem Job physisch und psychisch gesund bleiben können.“

Und auch die pflegenden Angehörigen müssten thematisiert werden. „80 Prozent der Pflege werden von Angehörigen erbracht“, sagt Schalek. Sie seien der Grund, warum der Pflegekollaps, von dem manche sprechen, nicht eintrete. „Es braucht viel mehr Engagement in der Unterstützung und Entlastung.“ Schalek fordert flexibel und stundenweise verfügbare, leistbare Entlastungsdienste sowie psychosoziale Begleitung. „Die pflegenden Angehörigen muss man stärken, damit sie das tun können, was sie tun.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.07.2014)

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