Wort der Woche

Wien wird in den kommenden Wochen zur Welthauptstadt der Logik – eine Rolle, die die Donaumetropole schon einmal hatte.

Über den Logiker Kurt Gödel (1906–1978), einen der einflussreichsten österreichischen Denker aller Zeiten, gibt es unzählige Anekdoten. Etwa die, dass er Angst vor dem Vergiftetwerden hatte: Seine Frau Adele musste sämtliches Essen vorkosten; als sie wegen eines Schlaganfalls im Spital war, magerte Gödel derart stark ab, dass er daran starb.

Gödel ist einer breiten Öffentlichkeit vorwiegend durch solche Geschichten bekannt, was wohl daran liegt, dass seine eigentlichen, zahlreichen Leistungen kaum allgemein verständlich darstellbar sind. Am ehesten geht das noch mit seinem Unvollständigkeitssatz, laut dem es (vereinfacht gesagt) in logischen Systemen unbeweisbare Sätze gibt. Diese Einsicht zertrümmerte jegliche Gewissheit. Gemeinsam mit seinem Freund Albert Einstein bewies er weiters, dass Zeitreisen möglich sind. Er hat auch einen – wie man heute weiß korrekten – „Gottesbeweis“ erstellt. Und so weiter und so fort.

Nur wenigen ist bewusst, dass Gödel auch dafür steht, dass Wien in der Zwischenkriegszeit eine wissenschaftliche Weltmacht war. Nach der Ermordung von Moritz Schlick, dem Kopf des Wiener Kreises, 1936 und der Machtergreifung der Nazis 1938 zerstreuten sich die brillanten Vertreter des logischen Positivismus in alle Welt. Gödel oder Ludwig Wittgenstein feierten Triumphe (in Princeton und Oxford), hierzulande waren sie praktisch vergessen. Und mit ihnen auch die Logik – die nicht nur eine wesentliche Grundlage der Mathematik, sondern auch der Computerwissenschaften ist.

Es dauerte Jahrzehnte, bis man sich an die großen Söhne und deren Forschungsthemen erinnerte. So wurde erst 1987 die Kurt-Gödel-Gesellschaft gegründet. In jüngster Zeit hat sich Wien (TU Wien, Uni Wien, ISTA in Klosterneuburg) indes still und heimlich wieder zu einem Zentrum der Logikforschung gemausert und ist nun Austragungsort der größten Logikkonferenz aller Zeiten: Zum „Vienna Summer of Logic“ vom 9. bis 24. Juli werden mehr als 2500 Forscher erwartet.

Obwohl es sich um eine sehr sperrige Materie handelt, kann auch die Öffentlichkeit teilhaben – durch eine Ausstellung über Gödel, durch öffentliche Vorlesungen, einen Logikwettbewerb mit „Public Viewing“ und die „Logic Lounge“ (Termine unter http://vsl2014.at). Das sind viele Gelegenheiten, um sich mit einer der wichtigsten Basiswissenschaften auseinanderzusetzen. Und auch, um zu begreifen, wie wichtig ein offenes Klima ist, damit Spitzenleistungen entstehen können und Österreich in der Welt mitmischen kann.

Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Chefredakteur des „Universum Magazins“.

meinung@diepresse.com 

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.07.2014)

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