»Das Thema CO2-Blase muss in den Chefetagen ankommen«

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Anthony Hobley, der Chef von Carbon Tracker, will aus der Blase die Luft rauslassen und eine Finanzkrise verhindern.

Sie sind zugleich Umweltaktivist und Finanzexperte. Mit wem gehen Sie lieber essen, mit einem Öl-und-Gas-Analysten oder einem Mitarbeiter von Greenpeace?

Anthony Hobley: Ich fühle mich mit beiden wohl. Wir versuchen, Brücken zu schlagen, und übersetzen das CO2-Budget in die Sprache der Finanzmärkte. Wir haben in der City unsere Karriere gemacht. Und ja, wir sorgen uns um den Klimawandel. Das ist ja nicht unvereinbar. Wir wollen einen massiven finanziellen Kollaps verhindern, zu dem es kommt, wenn wir das Klimaproblem nicht in den Griff bekommen. Wir schaffen Transparenz über das Marktrisiko. Dazu machen wir Analysen, brüten über Zahlen. Wir drängen die Konzerne, alle Informationen offenzulegen, die Anleger brauchen, um das Risiko einzuschätzen. Das passiert heute nicht. Und den Investoren fehlen die Werkzeuge.

Was ist Ihr eigentliches Ziel? Die Blase rasch zum Platzen zu bringen?

Nein, sie soll nicht platzen, sondern wir müssen die Luft gezielt rauslassen. Wir wollen auch nicht, dass die Investoren alle aus den fossilen Energiekonzernen aussteigen. Vielmehr soll das Thema dort in den Chefetagen ankommen. Wir zeigen Risken auf, die üblicherweise ignoriert werden. Man kann auch ganz trocken sagen: Unser Ziel ist es, dass die Kosten des Kapitals und die Risikoprämie richtig erfasst werden.

Wie sehen Sie Ihre Chancen, die Blase so zu entschärfen?

Wenn wir jetzt reagieren, können wir es schaffen: Fehlinvestitionen vermeiden, kein Geld verlieren. Wir können aber auch noch zehn Jahre zuwarten. Dann geraten alle in Panik und die Regierungen regulieren über Nacht – genauso, wie sie die Subprime-Krise übersehen und dann überstürzt reagiert haben, um einen Kollaps des Finanzsystems zu verhindern.

Sie wollen den Markt an Bord holen. Ist das effektiver als politische Lösungen?

Man muss Markt und Politik kombinieren. Aber die Lösung ist nicht klar umrissen. In den USA kommen nun Initiativen vom Staat, China wendet sich deutlich von der Kohle ab. Zugleich tauchen neue Technologien auf und lösen alte ab. Und das Geld der Investoren geht stärker in grüne Energie. Alles gehört zusammen, um eine Trendwende zu schaffen, ehe das Klima kippt. Es ist ein Wettrennen.

Wird die Menschheit den Klimawandel in den Griff bekommen?

Nach Kopenhagen haben wir alle ein, eineinhalb Jahre gebraucht, um uns zu erholen. Aber ich habe kleine Kinder, und ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass unsere Generation so egoistisch ist: Wir führen ein angenehmes Leben und übergeben ihnen eine kaputte Welt. Ich denke an meine Großväter, die beide im Krieg waren: Was wäre aus uns geworden, wenn sie damals nicht die Verantwortung für die kommenden Generationen übernommen hätten?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.07.2014)

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