Käthchen, Graf Grobian - und die Ritter von der Kokusnuss

(c) Perchtoldsdorf
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Burgschauspielerin Maria Happel inszeniert Kleists "Käthchen von Heilbronn", angenehm erfrischend - mit wiehernden Rittern und einer guten Prise Slapstick. Anna Unterberger überzeugt als störrisches, unschuldiges, undurchschaubares Käthchen.

Es beginnt unspektakulär, das Theater um Käthchen, um engelsberufene Liebe, Gier, Rache und unterdrückte Leidenschaft. Kapuzengestalten treten auf. Es sind die Richter des Femegerichts, und sie sollen urteilen, ob Graf Friedrich Wetter vom Strahl das liebe Käthchen unter einem Zauber entführt hat. Hat er nicht: Es folgt ihm seit Wochen freiwillig über Stock und Stein. Was in das Kind gefahren ist, gilt es in Heinrich von Kleists „Käthchen von Heilbronn“ herauszufinden.

So richtige Ritterromantik mag sich bei den vermummten Gestalten und den finsteren Klängen anfangs noch nicht auftun. Bei helllichtem Abend knistert es sich schlecht, und zum Gruseln ist am ehesten noch der Wind, der die Scheinwerfer über der Perchtoldsdorfer Freilichttribüne zum Wackeln bringt. Doch für das Wetter kann Maria Happel, die das Stück für die Perchtoldsdorfer Sommerspiele inszeniert hat, natürlich nichts, und das zu Beginn etwas steril geratene Schauspiel entwickelt sich im Lauf des Abends zu einer unterhaltsamen Ritterposse.

Happel versucht nicht, das Stück in die Gegenwart zu versetzen – auch wenn es da wohl einige Anhaltspunkte gäbe – sondern erfrischt die Geschichte mit ganz unmittelalterlichen Elementen: Da tanzen der Graf vom Strahl und Kunigunde zum Samba-Rhythmus in die Burg, die Tanten tragen 80er-Jahre-Trash und Turmfrisur, Knecht Gottschalk ist ein Dandy im grünen Glanzhemd, und statt Hochzeitsmarsch wird der Gitarrenverzerrer kräftig aufgedreht.

Eine böse Hexe Kunigunde

Vor der passenden Fassade der Burg Perchtoldsdorf ist eine Dachlandschaft aus unterschiedlich geneigten Glasplatten aufgebaut. Das Bühnenbild (Donhauser, Eckl, Sturminger), das wie eine Sonnenstromfarm aussieht, ist vor allem eins: funktionell. Es ist Garten, Burg und Feld zugleich. Und es klappert schön, wenn Graf und Gefolge, die gleichzeitig auch ihre Pferde spielen müssen, wiehernd und im Steppschritt über die Bühne galoppieren. Sie erinnern an Monty Pythons Ritter der Kokosnuss (ohne Kokosnuss). Auch an anderer Stelle setzt man gern auf Slapstick und das Komiktalent der Schauspieler: Ritter messen sich im Heu-Stroh-Gefecht (dem Auszähl-Spiel auf der Turnsaallinie, das wir aus Schulzeiten kennen), es gibt einen Kampf in Zeitlupe und das Vorankommen im Sturm wird von Blitz- und Donnergeräuschen aus den Mündern der Schauspieler untermalt. Richtiger Sturm zieht schließlich auch noch auf – spätestens dann, wenn die Burg brennt. Feuer!

Die Akteure finden im Lauf des Stücks immer weiter in ihre Rollen. Anna Unterberger gibt überzeugend das Käthchen, das störrische, undurchschaubare und in seiner manischen Verliebtheit doch so unschuldige Mädchen. Veronika Glatzner spielt die Widersacherin – die gemeine Kunigunde, die dem Grafen die Ehe und so vor allem ein Stück Land abluchsen will. Sie ist die perfekte böse Hexe: kalt, berechnend und hurig in ihrem Ganzköper-Netzteil auf rotem Minikleid. Der Graf vom Strahl (Nikolaus Barton), hin- und hergerissen zwischen Traum und Wirklichkeit, wirkt dazwischen grob und aggressiv – selbst sein Liebesgeständnis brüllt er. Aber er kann auch anders: Sanft wird er, wenn er sich an das schlafende Käthchen heranschleicht, um in ihr das wahre Mädchen seiner Träume zu erkennen. Und dann trabt die Ritterbrigade wieder laut wiehernd über die Bühne. Zugegeben, der Grat zwischen gelungener Komik und Lächerlichkeit ist schmal. „Das Käthchen von Heilbronn“ gleitet in dieser angenehm munteren Version jedenfalls auf der richtigen Seite dahin.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.07.2014)

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