Wirtschaftsbericht 2014: "Die Probleme häufen sich"

Bundeskanzler Faymann.
Bundeskanzler Faymann.Reuters
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Der Wirtschaftsbericht der Regierung steht heuer im Zeichen der Hypo. Ökonomen warnen vor einem Rückgang der Wettbewerbsfähigkeit und sehen dringenden Handlungsbedarf.

Der heurige Wirtschaftsbericht der Bundesregierung ist - wenig überraschend - von den Folgen der Hypo-Notverstaatlichung geprägt: Abbaugesellschaft, Rekapitalisierung und mögliche Verluste aus dem Verkauf des Südosteuropa-Netzes werden das Budget stark belasten. Die Staatsschuld schnellt durch die Einrichtung der Hypo-Abbaugesellschaft um 17,8 Milliarden Euro auf 79,2 Prozent des Bruttoinlandprodukts. Das Maastricht-Defizit wird vorraussichtlich auf 2,7 Prozent des BIP steigen.

Die wirtschaftlichen Aussichten haben sich, gegenüber den Vorjahren verbessert. So werde die Eurozone 2014 nach zwei Jahren wieder wachsen. Österreichs Volkswirtschaft habe sich wieder besser entwickelt als die Eurozone. Nach dem Anstieg des BIP um 0,3 Prozent im Vorjahr soll sich das Wachstum heuer und im nächsten Jahr deutlich verstärken. Das Wifo prognostiziert für dieses Jahr ein Wachstum von 1,4 Prozent, das IHS 1,5 Prozent. Für 2015 sind beide Institute mit Wachstumsraten von 1,7 Prozent beziehungsweise 1,9 Prozent optimistischer.

Mitterlehner: "Wettbewerb wird stärker"

"Der internationale Wettbewerb wird schärfer, das weltwirtschaftliche Umfeld bleibt schwierig. Daher müssen wir die Rahmenbedingungen für Österreichs Wirtschaft laufend verbessern und die Unternehmen als Partner beim Ausbau ihrer Wettbewerbsfähigkeit unterstützen", so Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP).

Einen schärferen Wettbewerb erwartet sich auch Bernhard Felderer, Präsident des Fiskalrates. "Die österreichische Wirtschaftspolitik wird deutliche Anstrengungen machen müssen, um ein Zurückfallen des Landes zu verhindern", so Felderer. Er sieht die Vorteile, die Österreich aus der Ostöffnung gezogen hat, vorläufig zu Ende gehen. Das österreichische Wachstum werde nicht, wie seit Ende der achtziger Jahre gewohnt, im Durchschnitt gut einen halben Prozentpunkt über der deutschen Rate liegen.

"Die Probleme häufen sich", konstatiert IHS-Chef Christian Keuschnigg im Wirtschaftsbericht. Das Steuersystem sei aus dem Ruder gelaufen, die Abgabenbelastung der Arbeit erdrückend. Das Pensionssystem liege im Defizit, die Arbeitslosigkeit sei beunruhigend hoch, die Wettbewerbsfähigkeit droht zu sinken. Die Hypo-Abwicklung mache Stress - und die Bankenunion belaste den Finanzsektro. "Das Wachstum lahmt. Und im Budget ist kein Spielraum, um starke Akzente zu setzen", so Keuschnigg.

Aiginger: "Stärker auf Innovation setzen"

Optimistischer schätzt Wifo-Chef Karl Aiginger die Lage ein: "Österreich wird auch 2025 erfolgreich sein, wenn es seine Erfolge stärker auf Innovationen und Ausbildung aufbaut, Unterschiede der Startchancen nach Geburt, Elternhaus, Gender abbaut und dynamische Märkte beliefert", meint Aiginger.

Die Bundesregierung sollte nicht auf die Zukunft vergessen, mahnt Ulrich Schuh vom Institut Eco Austria. Angesichts des vermutlich anhaltend schwierigen wirtschaftlichen Umfelds sollten daher verstärkt zukunftsorientierte wirtschaftspolitische Weichenstellungen erfolgen, die zur Stärkung der Wachstumskräfte der österreichischen Wirtschaft beitragen. Für Schuh zählt dazu etwa der zügige Ausbau des Breitband-Internets, die Anhebung der Erwerbsbeteiligung Älterer sowie Akzente im Bildungssystem.

Österreich in der "Nachkrisenwelt"

Für den Erste-Ökonomen Rainer Münz ist Österreich in der "Nachkrisenwelt" angekommen. Es sei aber davon auszugehen, dass das Wachstum auch in den kommenden Jahren nicht an die Zuwächse vergangener Nachkrisenphasen herankommt. Der öffentliche Sektor werde nur unwesentlich zum Wirtschaftswachstum beitragen können, weil die Hypo-Bad Bank das Haushaltsloch auf bis zu drei Prozent wachsen lassen wird. In den kommenden Jahren sei zwar nicht mit weiteren gravierenden Folgen zu rechnen, der Staat werde aber bestrebt sein müssen, den Schuldenstand nicht weiter zu erhöhen.

"Ob Steuer- und Abgabenlast, Pensionen, Staats-, Verwaltungs- und Gesundheitsreform, in Österreich gibt es genügend Reformfelder, auf denen dringender Handlungsbedarf besteht", so Raiffeisen-Chefanalyst Peter Brezinschek. Die Baustellen seien altbekannt, die Umsetzung lasse jedoch auf sich warten. Österreichs Wirtschaftspolitik müsse nun von "Antikrisenpolitik auf Zukunftspolitik" umschalten, fordert Bank-Austria-Chefökonom Stefan Bruckbauer. Die Wirtschaftspolitik müsse alles unternehmen, um den Pessimismus bzw. die Deflationsgefahren zu bekämpfen.

Isolation Russlands als größtes Risiko

Für Bawag-Ökonom Ingo Jungwirth sind die größten Risiken en moderat positiven Wirtschaftsausblick eindeutig politischer Natur, allen voran eine Isolation Russlands dar. Negativ auf das Wachstum in Österreich könnte sich eine Unterbrechung der Lieferung von russischem Erdgas durch die Ukraine, schärfere EU-Sanktionen. Auch die Touristen aus Russland könnten ausbleiben, warnt auch Erste-Ökonom Münz. Negative Folgen für die Konjunktur in Österreich und Europa hätte vor allem ein deutlicher Anstieg der Ölpreise im Gefolge einer Nahostkrise.

Außerdem ist es laut Münz fraglich, ob die lang anhaltende Niedrigzinspolitik der EZB tatsächlich die Konjunktur befördert.

Ex-EU-Währungskommissar Olli Rehn betont in seinem Gastbeitrag, dass die wirtschaftliche Erholung in Europa noch fragil sei. Trotz Reformerfolgen gebe es keinen Anlass für Selbstzufriedenheit. OECD Generalsekretär Angel Gurria wiederum bricht eine Lanze für das Freihandelsabkommen EU/USA, ohne es beim Namen zu nennen: Um Produktivität und Jobs anzukurbeln, müssten Barrieren im heimischen und internationalen Wettbewerb sowohl in den Industrie- als auch Schwellenländern beseitigt werden. So könnte das Beste aus der globalen Wertschöpfungskette herausgeholt werden.

>>> Der Wirtschaftsbericht als PDF-Download

(APA)

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