Wirtschaftsbericht: „Brauchen einen Ruck nach vorne“

Austrian Chancellor Faymann presents the Austrian 2014 economy report in Vienna
Austrian Chancellor Faymann presents the Austrian 2014 economy report in ViennaREUTERS
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Die Regierung sieht ihre Arbeit durch vergleichsweise gute Wirtschaftsdaten bestätigt, doch Minister Mitterlehner warnt: „Wir fallen zurück.“

Wien. Die Präsentation des Wirtschaftsberichts bietet den Regierungsspitzen einmal jährlich die Gelegenheit, einander öffentlich anerkennend auf die Schulter zu klopfen. So auch gestern, Montag, in der Wiener Hofburg: Seht her, wie toll wir das wieder hingekriegt haben! Niedrigste Arbeitslosenrate, zweithöchstes BIP pro Kopf, vergleichsweise niedrige Staatsverschuldung. Die explodiert im Augenblick zwar geradezu. Aber: Die Hypo, Sie wissen ...

Es existieren zwar auch kleinere Problemchen wie ein drohendes Budgetloch von „hunderten Millionen“ (Finanzminister und Vizekanzler Spindelegger), das es aber ohnehin „nicht gibt“ (Bundeskanzler Werner Faymann). Doch sonst können wir stolz sein. Infrastrukturministerin Doris Bures zitiert noch eine Jubelstudie, derzufolge eine Rezession Gottseidank durch ihre rein schuldenfinanzierte Bahntunnelorgie verhindert werden konnte: „Man kann sagen, dass es ohne unsere Infrastrukturinvestitionen eine Rezession gegeben hätte“, stellt sie wörtlich fest.

Doch dann kommt Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner. Diesmal in der Rolle des Partyschrecks: Österreich sei unzweifelhaft gut durch die Krise gekommen, stellt er einleitend anlasskonform fest. „Doch jetzt fallen wir zurück.“ Die Krise verlagere sich gerade vom Staat zu den Betrieben, das Wachstum sei „sehr schwach“, die Probleme der Banken seien ungelöst und der Niedrigzinskurs der EZB samt dazugehöriger Geldschwemme habe es nicht geschafft, die für einen Aufschwung notwendigen Investitionen anzustoßen. Mitterlehners Fazit: „Wir brauchen einen Ruck nach vorne.“

Dieser Befund deckt sich schon eher mit dem, was die heimischen Wirtschaftsforscher sehen: Die haben erst vor ein paar Wochen die Wachstumsprognose für heuer relativ kräftig (von 1,7 auf 1,4 bis 1,5 Prozent) zurückgenommen. Und Experten sind sich ziemlich sicher, dass das jetzt noch nicht die letzte Abwärtskorrektur in diesem Jahr gewesen ist.

Denn die Stimmung in den Betrieben ist schlecht. Sie investieren nicht, zumindest nicht in Österreich. Und die, die doch investieren wollen, scheitern an verschärften Kreditrestriktionen bei den Banken, die sich ja in Osteuropa ordentlich vergaloppiert haben und jetzt ihre dort zugefügten Wunden lecken. Und der private Konsum kommt auch nicht in die Gänge, weil die Einkommen der Österreicher seit fünf Jahren real schrumpfen. Dass daran ausschließlich die Steuerpolitik der Regierung beziehungsweise deren Weigerung, die „kalte Progression“ abzuschaffen, schuld ist – davon erfährt man im Wirtschaftsbericht der Regierung freilich nichts.

Allerdings kommen dort, wie jedes Jahr, die prominenten heimischen Wirtschaftsforscher mit Beiträgen zu Wort. Und die sind heuer durchaus kritisch. Christian Keuschnigg etwa, Chef des Instituts für Höhere Studien (IHS), konstatiert, dass sich die Probleme häufen: „Das Steuersystem ist aus dem Ruder gelaufen, die Steuer- und Abgabenbelastung der Arbeit ist erdrückend.“ Das Pensionssystem sei „im Defizit“, die Arbeitslosigkeit „beunruhigend hoch“, die Wirtschaft verliere an Wettbewerbsfähigkeit, das „Wachstum lahmt“ – und im Budget sei kein Spielraum, starke Akzente zu setzen.

Das sieht auch Bernhard Felderer, Präsident des Fiskalrates, so, zumal die Ostfantasie für österreichische Unternehmen vorerst einmal – zumindest vorübergehend – Vergangenheit sei. Felderer: „Die Wirtschaftspolitik wird deutliche Anstrengungen machen müssen, um ein Zurückfallen des Landes zu verhindern.“

Unter anderem im Bereich Bildung und Innovation. Österreich falle im Innovationsranking gerade zurück und müsse aufpassen, nicht von Nachbarländern abgehängt zu werden, meint etwa Wifo-Chef Karl Aiginger, der in diesem Punkt eine entsprechende Strategie vermisst. Kollege Keuschnigg vom IHS formuliert das ein wenig drastischer: „Ein Land mit einem der höchsten Einkommen pro Kopf muss mehr als andere in forschungsnahe Ausbildung und Grundlagenforschung investieren.“ Das Land müsse „selbst neue Technologien hervorbringen und darf sich nicht auf die Anwendung von Technologien beschränken, die anderswo entwickelt wurden“. Als verlängerte Werkbank sei das Wohlstandsniveau jedenfalls nicht aufrecht zu erhalten.

Starke Worte. Der Ruck, den sich die Regierung laut Mitterlehner geben muss, sollte also ein gewaltiger sein. Wie der zu bewerkstelligen wäre, geht aus dem Wirtschaftsbericht 2014 jedenfalls nicht wirklich hervor. Aber der befasst sich ja eher mit der Vergangenheit.

Bundeskanzler Faymann sagte bei der Präsentation (bezogen auf die anstehende Senkung der Steuern auf Arbeit), es sei „leichter etwas aufzuschieben, als es anzugehen“. Das scheint das Problem dieser Republik zu sein.

AUF EINEN BLICK

Wirtschaftsbericht. Österreich sei besser als andere EU-Länder durch die Krise gekommen und wachse auch jetzt noch stärker als der EU-Schnitt. Darauf wiesen Bundeskanzler Werner Faymann, Vizekanzler Michael Spindeleger und die Minister Doris Bures und Reinhold Mitterlehner gestern bei der Präsentation des Wirtschaftsberichts 2014 hin.

Allerdings mischten sich auch kritische Stimmen in den Leistungsbericht der Regierung. Mitterlehner warnte davor, dass Österreich im internationalen Vergleich zurückzufallen drohe und meinte, die Regierung brauche zur Bewältigung der anstehenden Probleme einen „Ruck“. Die österreichischen Wirtschaftsforscher, die im Bericht mit Beiträgen zu Wort kommen, kritisierten überwiegend zu geringe Ausgaben für Bildung und Innovation und ein zu hohes Steuerniveau. Außerdem sei im Budget zu wenig Spielraum vorhanden, um dem lahmen Wachstum gegenzusteuern. Die Probleme beginnen sich zu häufen, hieß es.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.07.2014)

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