Wohngeschichten: Privatgemach mit Theatergeist

Architekturdetails aus dem Bühnenumfeld. Möbel und Requisiten, die in Filmen mitspielen könnten. Zu Hause bei Regisseur und Autor Michael Sturminger.

Nichts deutet von draußen darauf hin, dass sich hinter der schlichten Zinshausfassade in Wien-Meidling ein prächtiger Garten mit einem noch prächtigeren Gebäude befindet: einem Schlössl, wie es Aristokraten im vorvergangenen Jahrhundert für eine Geliebte errichten ließen, die nicht zu weit entfernt wohnen sollte. 2003 fiel es der Bühnenbildnerin Renate Martin und dem Regisseur Michael Sturminger in die Hände. Ein romantisches, italienisch anmutendes Fundstück aus dem Internet – Martin ist durch ihre Ausstattungstätigkeit (etwa für Ulrich Seidls „Paradies: Liebe“) ständig auf der Suche nach geeigneten Locations, Möbeln, Bildern, Requisiten.

Und eigentlich kann es kein Zufall sein, wenn ein bekannter Wiener Theater-, Film- und Opernregisseur mit seiner kreativen Familie in einem Haus wohnt, das gerade Architekten geplant haben, die wegen ihrer Theaterbauten und Opernhäuser so gefragt waren: Fellner & Helmer übertrugen ihre theatralischen Stilelemente hier ins Privatgemach. „In jeder Ecke finde ich ganz erstaunliche Parallelen“, erzählt Sturminger, seien es die Ornamente und Decken, sei es die Lösung des Treppenaufgangs mit der verglasten Oberlichte. Dies führt hier nicht zu den Logen und Balkonen, sondern zu den Rückzugsräumen und zum überquellenden Schreibtisch, an dem so manches Drehbuch und Regiekonzept entstanden ist. Lang waren die Türen oben geschlossen und Teil einer anderen, extra begehbaren Wohnung, doch mit der Zeit konnten Sturminger und Martin auch diese Flächen dazumieten.

Gut vorstellbar, dass sich Gäste in diesem Haus wohlfühlen, es kämen noch immer viele vorbei, wenn sie zwischen den Proben, Inszenierungen und Dreharbeiten zu Hause sind. Aber „ein Partyhaus war es früher“, bevor die älteren Kinder eigene, künstlerische Wege gingen. Zu dritt, mit dem Jüngsten, bewohnt man nun etliche Quadratmeter, die hohen Räume, in denen mit lockerer Hand und viel Atmosphäre originelle Möbelstücke ihren Platz finden und in denen große Bilder hängen, etwa ein John-Malkovich-Casanova oder eine Madame Pompadour. Die Stücke werden immer wieder ausgetauscht. „Wenn etwas Neues kommt, muss etwas Altes gehen“, sagt Sturminger. So ergeben sich immer neue Kombinationen, die ein anregendes Ambiente erzeugen: ein Bühnenbildmodell („Die Entführung aus dem Serail“), eine gelbe Reklameleuchte aus einem Dorfwirtshaus, ein Wuzeltisch und dazu blaue Seidenbespannungen, die man von den Vormietern übernommen hat. Oder ein monolithischer Küchenblock, eine kolorierte Stuckdecke, ein Kachelofen. Dazwischen: Bücher, Tonträger, Kunstwerke. Und überall: ein kohlrabenschwarzer, großer Hund namens Lupo.

Ganz besonders mag Sturminger in seiner Wohnung die Leuchten. Martins Firmenkompagnon, Andreas Donhauser, designt und baut schnell zusammen, wenn Mobiliar und Requisiten spontan gebraucht werden. So kam es auch zum großen Tisch mit Schalungsplatte, der jetzt auf der großen, überdachten Terrasse steht. Davor liegt ein hübsches unfrisiertes Stück Grün mit Blumen und Auslauf – weg will er hier nicht. „Wo hat man denn so nette Nachbarn, die den Garten aufmachen, damit alle ihn nützen können?“

ZUR PERSON

Michael Sturminger ist als Regisseur und Autor in der Theater-, Musik- wie Filmwelt gleichermaßen unterwegs. Sein neuester „Casanova“-Film – eine mehrschichtig angelegte und auf einem Theaterstück basierende Produktion mit John Malkovich – kommt noch heuer in die Kinos. Aktuell inszeniert Sturminger Kleists „Das Käthchen von Heilbronn“ bei den Perchtoldsdorfer Sommerfestspielen, deren Intendant er auch ist. Bei den Bregenzer Festspielen führt er gerade in den „Geschichten aus dem Wienerwald“ Regie. Regelmäßig arbeitet er gemeinsam mit seiner Frau Renate Martin, die Bühnenbildnerin ist und mit Andreas Donhauser „Donmartin Supersets“ betreibt. www.sturminger.com, www.supersets.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.07.2014)

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