Der sprechende Schlüssel für Alzheimer-Patienten

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Symbolbild SchlüsselbundMichaela Seidler
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Computerspiele und Ortungsgeräte – technische Innovationen sollen Demenzkranke und ihre Angehörigen entlasten.

Beim Verlassen der Wohnung die Schlüssel zu Hause zu vergessen, kostet Zeit, Geld und Nerven. Vor allem bei Menschen mit Demenzerkrankungen, die sich immer wieder in solchen Situationen wiederfinden – was zu einer großen Belastung für sie und ihre Angehörigen werden kann. Um ihnen das Leben einfacher zu machen, haben Forscher der Universität Wien den Prototyp eines „sprechenden Schlüssels“ entwickelt: Ein an der Wand montierter Reflexmelder erkennt, wenn eine Person die Wohnung verlassen will, woraufhin eine Stimme darauf hinweist, den Schlüssel nicht zu vergessen. Gleichzeitig sendet dieser Audiosignale aus. Aber nur, wenn die Person den Schlüssel nicht schon bei sich trägt– was das Gerät mittels sogenannter Active-RFID-Technologie registriert.

Der sprechende Schlüssel ist eine von mehreren technischen Innovationen, die im Zuge des EU-Projektes SPES (Support to Patients through E-Service Solutions) in den vergangenen drei Jahren entwickelt und getestet wurden, um Demenzkranken ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen und ihre Betreuer zu entlasten. Darunter beispielsweise auch GPS/GSM-Ortungsgeräte, um die Betroffenen jederzeit lokalisieren zu können, wenn sie sich verirren oder einen im Vorfeld definierten Sicherheitsbereich– etwa die Terrasse eines Tageszentrums oder den Garten einer Wohngemeinschaft – verlassen haben.

In diesem Fall schlägt das Gerät über ein Active-RFID-System akustisch und visuell Alarm am Computer von Betreuern. Zudem können die Träger solcher Geräte bei Bedarf per Knopfdruck und Freisprecheinrichtung (also wesentlich einfacher als über ein Handy) Kontakt zu Angehörigen und Pflegern aufnehmen.


98 Betroffene haben getestet. „Es geht nicht darum, die Menschen jederzeit zu überwachen, sondern um die Möglichkeit, ihnen zu helfen, wenn sie in Gefahr sind“, sagt Karin Kienzl, Bereichsleiterin bei den Wiener Sozialdiensten, einem Projektpartner. Bisher hätten 98 Betroffene aus betreuten Seniorenwohngemeinschaften und Tageszentren diese neuen technischen Möglichkeiten getestet und seien damit sehr gut zurechtgekommen. „Die ersten Erfahrungswerte sind vielversprechend. Unser Ziel ist es, die Sicherheit der Menschen zu gewährleisten, ohne ihre Bewegungsfreiheit einzuschränken.“ Natürlich bestehe die Gefahr, dass solche Geräte auch zur Überwachung und unverhältnismäßigen Freiheitsbeschränkung missbraucht werden. „Deshalb“, so Kienzl, „muss der Einsatz einvernehmlich und individuell geregelt werden. Die Benutzerfreundlichkeit kann immer weiter verbessert werden.“

Eine weitere Innovation ist die Stimulation des Denkens, Wahrnehmens und Erinnerns: Dabei handelt es sich um persönliche elektronische Erinnerungsbücher für demenzkranke Menschen, die für sie wichtige Bilder, Musik, Filme und Texte beinhalten, und die durch das Berühren eines Touchscreen-Computers aufgerufen und „durchgeblättert“ werden können. Solche „Brain Stimulation“-Applikationen können die Menschen nicht nur beschäftigen und unterhalten, sondern auch an wichtige alltägliche Tätigkeiten erinnern (etwa an Termine und Medikamenteneinnahmen).


Suche nach Partnern. Nun, nach Abschluss des Projektes im Juni dieses Jahres, hoffen die Verantwortlichen, dass die Ergebnisse in sozialen Einrichtungen zum Einsatz kommen und weiterentwickelt werden. „Aus technischer Sicht sind die größten Herausforderungen vor allem der Energieverbrauch des Systems bzw. die Leistungsdauer der Akkus und der Batterien“, sagt Marek Lenart, technischer Mitarbeiter beim Projekt. „Das betrifft aber nicht nur die genannten Geräte, sondern auch generell den Bereich der altersgerechten Assistenzsysteme für ein selbstbestimmtes Leben. In Zukunft sollten neue elektronische Bauteile der Nanoelektronik, neue Batterietypen und Akkumulatorzellen sowie neue Technologien der drahtlosen Aufladung oder Stromversorgung zu Hause zum Einsatz kommen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.07.2014)

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