Urlaub, den wir teilen wollen

Die Journi-Gründer Andreas Röttl, Bianca Busetti und Christian Papauschek in San Francisco.
Die Journi-Gründer Andreas Röttl, Bianca Busetti und Christian Papauschek in San Francisco.Journi
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Jeder teilt mit jedem, jeder weiß alles, und trotzdem ist der Urlaub so individuell wie möglich. Wie heimische Start-ups versuchen, unser Reiseverhalten neu zu gestalten.

Wenn Mia auf Urlaub fährt, dann soll die ganze Welt daran teilnehmen. Sie hat ihre Reise auf dem Smartphone dafür genau dokumentiert. Der erste Stopp in Prag. Mia lässt sich vor der Rathausuhr fotografieren, der nächste Stopp in Ungarn am Balaton. Mia lädt ein Foto von sich und ihren Freundinnen hoch. „Eben am größten Binnensee Mitteleuropas angekommen. Trotzdem werde ich das Pfützen-Feeling nicht los“, könnte sie das Foto kommentieren. Ihre Mutter, ihre Oma, ihre Freunde werden ihrer Reise von zu Hause aus folgen.

Mia ist freilich erfunden, aber sie ist Teil der fiktiven Zielgruppe, die sich das Start-up Journi zurechtgelegt hat. Vorwiegend Frauen, zwischen 20 und 30 Jahre alt, reiseaffin, ein bisschen Hipster – und mit einer unbestrittenen Begeisterung, das Leben online zu dokumentieren.

In den vergangenen Jahren hat die Zahl der Reise-Applikationen und Reise-Start-ups exponentiell zugenommen. Angefangen mit Billigflug-Suchmaschinen (checkfelix.at, swoodoo.at) gibt es mittlerweile zig Unterkunftplattformen für jeden Geschmack, jede Geldbörse, jeden Lifestyle. Man bekommt Restplätze im Hotel (booking.com), schläft bei Fremden in der Wohnung (airbnb.at) oder gratis auf der Couch (couchsurfing.com) und sucht sich die besten Routen und Empfehlungen über Lonely Planet, Trip Advisor oder das österreichische Start-up Tripwolf.

Für jeden ist etwas dabei, je individueller der Urlaub zusammengestellt werden kann, desto besser. Und anstatt das alles für sich zu behalten, werden Geheimtipps schnell einmal mit der ganzen Welt geteilt – wer weiterreist, macht sowieso Platz für andere.

Auf dieses Sharing-Prinzip haben auch die Macher von Journi gesetzt, als sie ihre App entwickelt haben. Bei Journi können Urlauber ihre Reise dokumentieren. Man macht ein Foto, schreibt ein paar Zeilen und schon kann der Rest der Welt die Reise verfolgen – freilich erst, wenn man die Beiträge mit dem Internet synchronisiert. „Wir wollen die Dokumentation so einfach wie möglich machen“, sagt Journi-Mitgründer Andreas Röttl.

Dabei war das App-Grundkonzept zu Beginn ein ganz anderes. Journi, das ist die Weiterentwicklung des Start-ups Miavia, das von Röttl und seinen zwei Kollegen Bianca Busetti und Christian Papauschek gegründet wurde, um persönliche Reiserouten und Empfehlungen zu teilen und zu vermarkten. Jeder, der wollte, konnte Reiserouten auf dem virtuellen Miavia-Marktplatz hochladen und diese dann, für einen geringen Betrag, verkaufen. Doch das Konzept ging nicht auf. Oder anders als geplant. „Wir haben schnell gemerkt, dass einige User Miavia als Fotoblog ,missbraucht‘ haben. Denen war Geldverdienen nicht wichtig. Sie wollten Erinnerungen dokumentieren“, sagt Röttl.

Ab nach Silicon Valley

Dem Wunsch der User kam man freilich rasch nach. Mittlerweile hat Journi innerhalb des ersten Monats jene 2000 User erreicht, für die es bei Miavia ein halbes Jahr gebraucht hat, zudem einen Investor und einen Platz im Silicon Valley, weil das Start-up gerade am „Go Silicon Valley“-Programm der WKO teilnimmt. „Wir hoffen, hier unter anderem ein bis zwei Adviser zu finden“, sagt Röttl. Denn die Herausforderung ist nicht nur bekannt zu werden, sondern nachzudenken, was aus Journi noch werden kann.

Schon in naher Zukunft planen Röttl und seine Kollegen, die App mit Informationen aus anderen Plattformen, etwa der Empfehlungs- und Folgeplattform Foursquare, zu verbinden. So würde die App ein Foto auch gleich verorten können. „You do the pic and we do the rest“, lautet die neue Journi-Devise. Aber Röttl schließt auch nicht aus, dass Journi abseits von Reise genutzt werden wird. Es könnte auch ein Erinnerungstool für die immer aktive „Go to“-Gesellschaft sein.

Immerhin, im Bereich der Travel-Dokumentation hat sich noch kaum ein Start-up angesiedelt. Anders als bei den anfangs erwähnten Booking-Start-ups. Denn der Reisemarkt ist hart umkämpft, nirgends scheint die Konkurrenz größer zu sein, nirgends scheint sich der Markt so rasch zu entwickeln. Trotzdem bleibt er für Start-ups interessant.

Reisen in der Gruppe

„Der Reisemarkt ist riesig“, sagt etwa Ajmal Said vom Wiener Start-up Tripcake. Außerdem gut in Zahlen aufbereitet. Wenn Tripcake im Oktober starten wird, dann hat es durch Kooperationspartner 400.000 Hotels, auf das es zugreifen kann, außerdem 150.000 Ferienhäuser und eine Flugsuchmaschine.

Tripcake ist ein Start-up für Gruppenreisen – und wie viele aus eigener Betroffenheit entstanden. „Ich bin eigentlich fast nur in Gruppen mit Freunden unterwegs, und einmal wollten wir zu zehnt nach Bulgarien fahren“, erzählt Said, der an der TU Wirtschaftsinformatik studiert hat. Die Organisation sei allerdings chaotisch gewesen. „Zuerst hatten wir einen E-Mail-Verteiler, das war anstrengend, dann eine Facebook-Gruppe, das war noch anstrengender.“ Und als man sich endlich geeinigt hatte, musste auch noch jemand die Kosten vorstrecken.

Genau diese Planung soll Tripcake (für Reisende ab vier Personen, vorerst keine Familien) nun erleichtern. Jeder kann seine Wünsche in den Kategorien Termin, Budget, Aktivitäten und Destination kundtun, danach schlägt Tripcake Reiseangebote vor. Auch ein temporäres Konto wird es geben, auf das jeder seinen Teil einzahlen kann.

Ursprünglich hatte das Start-up vor, mit Reisebüros zu kooperieren – musste den Plan aber verwerfen. „Es war geplant, dass mehrere Büros ein Angebot für eine Anfrage stellen, aber erstens konnten sie nicht so schnell antworten und es sich zweitens nicht leisten, zu oft Angebote zu stellen und dann den Zuschlag doch nicht zu erhalten“, erzählt Said.

Jetzt kooperiere man mit Firmen wie Expedia (mehr Namen will er noch nicht nennen), damit die User sich aus den Angeboten selbst Flüge, Unterkunft und Aktivitäten suchen können.

Für ihn hat das auch finanzielle Vorteile. „Man glaubt gar nicht, wie aufgeblasen der Reisemarkt ist. Zwischen der Pension und dem Gast gibt es unzählige Vermittler“, erzählt Said. Da wäre für Tripcake nach dem Reisebüro nicht viel übrig geblieben. Mit dem jetzigen System verdient die Firma bis zu zehn Prozent an Vermittlerprovision.

So wie Tripcake geht es vielen Start-ups, denn selbst, wenn die Idee da ist, muss man erst einmal damit Geld verdienen. Wien ältestes Reise-Start-up Tripwolf berichtet auch erst seit 2012 von einem Jahresgewinn, dabei wurde das Unternehmen 2008 gegründet. Damals noch als Backpacker-Plattform gedacht, auf der jeder seine Erfahrungen beisteuern konnte. Mittlerweile ist es ein Online-Reiseführer, der Informationen von extern aufbereitet.

Erst im Vorjahr hat das Start-up mit Verleger Andreas Langenscheidt einen neuen Besitzer und mit Wilfried Schaffner einen neuen Geschäftsführer bekommen. Das neue Management setzt noch mehr auf den mobilen Bereich, mit einer Tablet- und einer neuen iPhone-Version, außerdem mit noch mehr Informationen von anderen Plattformen (etwa Wikipedia, dem Reiseführerportal Marco Polo oder Yelp), dafür gibt es kein eigenes Redaktionsteam mehr. Das dürfte funktionieren. Laut eigenen Angaben hat Tripwolf im ersten Quartal 2014 den Umsatz im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt. „Es geht immer mehr darum, die Infos von verschiedenen Plattformen zusammenzutragen und möglichst gut zusammenzufassen“, sagt Marketingchef Moritz Christian.

Damit Reisende, wie die fiktive Mia, sie dann nutzen und mit ihren Erzählungen weitertragen.

Tripwolf

Der Online-Reiseführer setzt auf verschiedene Plattformen, von denen er die Infos bestmöglich aufbereitet. Die Guides sind kostenpflichtig, werden danach aber ständig upgedated.
www.tripwolf.at

Tripcake

Tripcake organisiert Gruppenreisen. Online kann über Termin, Destination, Budget und Aktivitäten abgestimmt werden. Tripcake startet im Oktober. www.tripcake.at

Journi

Journi will das Reiseblogging einfach gestalten. User können Fotos machen, sie kommentieren oder Einträge schreiben. Der User entscheidet, wer die Einträge sehen darf. Die App ist gratis. journiapp.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.07.2014)

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