„Paradies der Damen“: Von Paris in die Welt

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Mit dem Le Bon Marché begann ein völlig neues Geschäftsmodell. Es revolutionierte auch das Konsumverhalten.

Der Name führt in die Irre: „Bon Marche“ heißt „preiswert“. Das älteste Kaufhaus der Welt, das „Le Bon Marché“ in Paris, ist freilich alles andere als billig. Allein das riesige, erkergekrönte Haus an der Rue de Sevres, an dem auch der berühmte Architekt Gustave Eiffel Hand angelegt hat, strahlt Luxus aus. Erfunden hat das Konzept des „grande magazin“ ein Normanne.

Aristide Boucicaut übernahm 1852 die Mehrheit des von den Brüdern Videau gegründeten Geschäfts und erweiterte in kurzer Zeit das Warenangebot auf alle Lebensbereiche: Kleidung, Kosmetik, Spielzeug, Haushalts- und Schreibwaren. Das Vorbild für dieses „Paradies der Damen“, wie es Emile Zola in seinem gleichnamigen Roman beschrieb, waren die überdachten Einkaufspassagen des 18. Jahrhunderts, in denen nach dem Vorbild orientalischen Basare hunderte Händler ihre Waren feilboten. Heute folgen Einkaufszentren diesem System.

Geld zurück.
Boucicaut zeigte sich aber auch beim Service als Pionier und entwickelte eine Art Kundenbindungsprogramm: Die Kunden wurden kostenlos beliefert. Und für einen Einkauf gab es Sammelbilder. Wer unzufrieden war, erhielt das Geld zurück.

Das Kaufhaus als Konsumtempel, in dem nicht Bedürfnisse des täglichen Lebens, sondern Träume erfüllt werden – diese Idee Boucicauts revolutionierte das Konsumverhalten und fand daher schnell Nachahmer. So entstanden auf dem anderen Seine-Ufer Geschäfte wie Printemps und Samaritaine (der Luxusgüterkonzern LVMH Moët Hennessy wandelt Letzteres gerade in ein Hotel um).

30 Jahres später folgten die Galeries Lafayette. Das Stammhaus der Warenhauskette mit seiner von einer farbigen Glaskuppel gekrönten Jugendstilhalle ist das beste Beispiel, dass die Konsumtempel des 19. Jahrhunderts auch Touristenattraktionen geworden sind.

Verlust des Privilegs. Puren Eklektizismus – in der Nacht von 11.500 Lampen in einen orientalisches Tempel verwandelt – strahlt eine andere Ikone aus: Harrods in London. Berühmt ist das nach einem Brand 1903 neu errichtete Gebäude nicht nur wegen der opulenten „Food Halls“, die ebenfalls im Jugendstil ausgestaltet sind. Als der Sohn von Harrods-Besitzer Mohamed Al-Fayed mit Prinzessin Diana bei einem Autounfall ums Leben kam, war es um die Diskretion des ägyptischen Milliardärs geschehen. Und Harrods verlor das Privileg des „Hoflieferanten“, das in einem Wappen an der Fassade prangte. Das wäre früher oder später ohnedies geschehen. Denn Al-Fayed verkaufte Harrods 2010 an den Staatsfonds von Katar.

Dass man auch ganz ohne schillernde Geschichte und Baukunst Erfolg haben kann, zeigt El Corte Inglés: Das spanische Unternehmen, 1890 in Madrid als Schneiderei für Kinderbekleidung gegründet, ist inzwischen die größte Warenhauskette Europas und weltweit die Nummer vier. Die Häuser, wie etwa jenes in Barcelona, ähneln eher riesigen Schachteln aus Beton und Stahl, den opulenten „Kathedralen des Handels“ (Zola). Nur das Konzept ist gleich: Es werden Waren aller Art und Marken von einem Handelsunternehmen angeboten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.07.2014)

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