2014, durch die Historienbrille besehen

Ludwig van Beethoven: Symphonie Nr. 9
Ludwig van Beethoven: Symphonie Nr. 9ORF
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Bei mancher Opernpremiere der diesjährigen Salzburger Festspiele werden Erinnerungen an Karajan wach; manche wären in seiner Ära kaum denkbar gewesen.

Mit einer Neuinszenierung von „Don Giovanni“ hebt die Premierenserie der Salzburger Festspiele des Jahres 2014 an. Diese Oper hat Herbert von Karajan mehrmals im Festspielsommer dirigiert, von 1968 an sogar drei Jahre lang in einer eigenen Inszenierung mit Nikolai Ghiaurov, der zuvor sein „Boris Godunow“ war, in der Titelrolle. Dem „Don Giovanni“ galten die letzten Operndirigate Karajans bei den Sommerfestspielen. Im August 1988 musste er drei der sechs Aufführung bereits an Bruno Weil abgeben.

Heuer singt Ildebrando d'Arcangelo den Don Giovanni in einer Neuinszenierung von Sven-Eric Bechtolf. Es dirigiert Christoph Eschenbach, ein Künstler, der Karajan einst mehrfach als Pianist eingeladen hat. Brandneu ist heuer Marc-André Dalbavies „Charlotte Salomon“, die in einer Inszenierung Luc Bondys am 28. Juli ihre Uraufführung erlebt, vom Komponisten selbst dirigiert.

In der Ära Karajan gab es etliche Opernuraufführungen von Komponisten wie Hans Werner Henze und Friedrich Cerha (unter Christoph von Dohnanyi), Luciano Berio (unter Lorin Maazel), Krzystztof Penderecki (unter Woldemar Nelsson) oder Carl Orff (unter Karajans eigener Leitung).

„Der Rosenkavalier“ (unter Franz Welser-Möst in der Regie von Harry Kupfer) war 1960 Karajans Wahloper zur Eröffnung des großen Festspielhauses. Er ließ Teo Ottos damalige Dekorationen, dem Publikum dank der legendären Verfilmung wohlvertraut, eigens noch einmal nachbauen, als er 1983/84 daran ging, die Strauss-Oper selbst szenisch und musikalisch wieder einzustudieren (1960 führte Rudolf Hartmann Regie).

Eng mit Karajans Namen ist auch Verdis „Troubadour“ verknüpft, den der Maestro gegen viel ideologischen Widerstand 1962 in den Festspielplan aufnahm. Von der legendären Besetzung mit Franco Corelli, Ettore Bastianini und Giulietta Simionato blieb die Leonora der Leontyne Price sogar noch erhalten, als Karajan mit dieser Produktion, die er noch als Operndirektor nach Wien übersiedelt hatte, am 8. Mai 1977 sein Comeback im Haus am Ring feierte (damals waren dann Christa Ludwig, Luciano Pavarotti und Piero Cappuccilli mit von der Partie).

Die Leonora 2014 ist Anna Netrebko, Placido Domingo, Karajans Don Carlos von 1975 und Manrico 1978, wandelt in seiner neuen Eigenschaft als Bariton auf Bastianinis und Cappuccillis Spuren (ab 9. August).

Eine szenische Version von Schuberts Oper „Fierrabras“ wäre in der Ära Karajan hingegen kaum denkbar gewesen. Es gab in seiner Zeit zwar etliche Präsentationen historischer Fundstücke in konzertanter Form – wie heuer Donizettis „Favorite“ mit Elina Garanča und Juan Diego Flórez). Doch haben sich die Anschauungen über den Musikdramatiker Schubert mittlerweile gewandelt: Peter Stein engagiert sich als Regisseur, Ingo Metzmacher dirigiert (Premiere am 13. August).

Von den Pfingstfestspielen übernommen wird heuer Rossinis „Cenerentola“ mit Cecilia Bartoli (21. August) – eine Oper, mit der man in Salzburg insofern Erinnerungen verknüpft, als sich die Wiener Philharmoniker wegen der Frage der wechselnden Orchesterbesetzung 1988 mit Riccardo Chailly überwarfen. Ein Machtwort war vom kranken Übervater damals nicht mehr zu erwarten...

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.07.2014)

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