Die CIA soll in deutschen Ministerien mehr als ein Dutzend Agenten haben. Einige könnten aus Wien „ferngesteuert“ werden.
Berlin/Wien/Washington. Bei ihrem sonntäglichen Treffen in Wien im Rahmen der Verhandlungen um Irans Nuklearprogramm dürften die Außenminister der USA und Deutschlands, John Kerry und Frank-Walter Steinmeier, auch über ein zusehends brisanter werdendes Thema gesprochen haben: die Bespitzelung deutscher Behörden und Ministerien durch US-Geheimdienste.
Am Donnerstag wurde der Station Chief der CIA an der US-Botschaft in Berlin ausgewiesen, nachdem aufgeflogen war, dass die CIA je einen Spion im Bundesnachrichtendienst BND und im Verteidigungsministerium gehabt hatte. Am Wochenende schrieb die „Bild am Sonntag“, dass die CIA mehr als ein Dutzend Leute in deutschen Ministerien und im Nahfeld der Regierung habe; betroffen seien auch die Ministerien für Wirtschaft, Inneres und Entwicklungshilfe. Pikantes Detail: Letzteres Ministerium sei für die CIA interessant, weil just durch dieses verdeckte BND-Aktionen im Ausland geführt würden.
Von dem Spion im BND – einem 31-Jährigen namens Markus R., der in der Registratur einer Abteilung tätig gewesen ist – führen laut „Spiegel“ Spuren nach Wien: R., der mindestens seit zwei Jahren für die CIA gearbeitet haben soll, sei vom CIA-Büro in Wien gesteuert worden; solche „Fernsteuerungen“ über Drittländer seien leichter zu tarnen, heißt es. Der Spion, der geständig sein soll, habe sich seit 2012 mehrfach in Salzburg mit Agenten der Vienna Station getroffen und ihnen gegen Geld Dokumente gegeben. R. habe auch die Namen dieser CIA-Leute genannt.
Die US-Botschaft in Wien gab keine Stellungnahme ab, im Außenamt hieß es nur, man gehe der Sache nach. Die Homepage cryptome.org/dirty-work/cia-who-where.htm zeigt übrigens eine (leider nur bis 2010 aktuelle und unvollständige) Liste von Namen von CIA-Leuten der Vienna Station.
R. flog auf, nachdem er sich im Mai per E-Mail-Verkehr dem russischen Generalkonsulat in München als Informant angeboten hatte. Das bemerkte der BND, dessen Hauptsitz ist am Südrand von München, in der hübschen, von Villen, Parks und Wäldern bestimmten Gemeinde Pullach im Isartal. Der Anwalt von R. will mittels eines psychiatrischen Gutachtens dessen Geisteszustand abklären lassen: R. sei wegen eines als Kind erlittenen Impfschadens geistig leicht behindert und habe nicht die nötigen Qualifikationen für Spionagetätigkeit; damit sollen wohl Zweifel an der Schuldfähigkeit genährt werden.
Die deutsche Regierung will alle Ministerien auf Schwachstellen in der Kommunikation (Wanzen etc.) checken lassen. Kanzlerin Angela Merkel sagte, die Vertrauensbasis mit den USA sei gestört, da sie sich immer fragen müsse, ob ihr jeweiliges Gegenüber aus Amerika nicht auch „für den anderen arbeitet“.
USA spotten über verägerte Deutsche
In den USA sorgt der Ärger in Deutschland indes für Spott: Der Chef des Geheimdienstausschusses im Repräsentantenhaus, der Republikaner Mike Rogers, nannte den Rauswurf des Station Chiefs einen „Wutanfall“, wie man ihn eher von Russen und Nordkoreanern erwarte. Das „Wall Street Journal“ ortet „gekünstelte Empörung“, denn dass auch befreundete Staaten einander bespitzelten, sei weltweit in der Branche bekannt. (ag./red.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.07.2014)