Ukraine: Russland droht mit Gegenschlag

Ukrainian troops are pictured in the eastern Ukrainian town of Seversk
Ukrainian troops are pictured in the eastern Ukrainian town of Seversk(c) REUTERS (GLEB GARANICH)
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Ein Russe starb in Grenznähe durch ukrainisches Granatfeuer. Moskau spricht von „qualitativer Eskalation“ und kündigt Konsequenzen an. Die Kämpfe in der Ostukraine verstärken sich rund um Donezk.

Donezk/Kiew/Moskau. Nach einem tödlichen Zwischenfall auf russischem Territorium steigen in der Ukraine Befürchtungen vor einem militärischen Eingreifen Russlands. Am Sonntag soll ein 45-jähriger Mann durch einen Granateinschlag in seinem Haus in der Ortschaft Donezk (nicht zu verwechseln mit der ukrainischen Stadt) getötet worden sein. Das teilte der Sprecher der Nationalen Ermittlungsbehörde, Wladimir Markin, mit. Donezk liegt direkt an der russisch-ukrainischen Grenze.

Es war dies der erste Todesfall auf russischem Territorium. Moskau drohte Kiew daraufhin mit „unwiderruflichen Konsequenzen“. Das Außenministerium sprach in einer Stellungnahme von einem „aggressiven Akt“. Auch Vize-Außenminister Grigori Karasin sprach in einem Interview mit dem Staatsfernsehen Rossija 24 von einer „qualitativen Eskalation“ und kündigte an: „Natürlich kann das nicht ohne Antwort bleiben.“

Russlands Präsident, Wladimir Putin, hat sich zuletzt als Streitschlichter zu profilieren versucht. Er hat mehrfach zu Verhandlungen zwischen den Konfliktparteien und zu einem Waffenstillstand aufgerufen – allerdings ohne Erfolg. Außerdem hat der Föderationsrat auf Putins Geheiß den Einmarschbefehl für die russische Armee zurückgenommen. Unter den Separatisten der „Volksrepublik Donezk“ hat sich zuletzt Unmut über die als zu gering empfundene Unterstützung von russischer Seite geregt. Doch nach dem gestrigen Zwischenfall scheint wieder eine Kursänderung möglich.

Die Ukraine wies die russische Darstellung zurück, dass es sich um ukrainische Geschosse gehandelt habe. „Wir haben nicht geschossen“, sagte ein Militärsprecher.

Raketenbeschuss am Rand von Donezk

Ungereimtheiten bei den Opferzahlen gab es auch an anderen Orten in der Ostukraine. Das Militär erklärte am Wochenende, nach Luftschlägen in den Gebieten Donezk und Lugansk etwa 1000 Separatisten getötet zu haben. Die prorussischen Kämpfer wiesen diese Zahl als viel zu hoch zurück. Nach Angaben des Sprechers des Nationalen Sicherheitsrates starben in den vergangenen 24 Stunden sieben ukrainische Soldaten, 30 wurden verletzt. Zudem gab es gestern Augenzeugenberichte, wonach Militärfahrzeuge erneut von russischer Seite in die Ukraine eingedrungen seien. Diese ließen sich allerdings nicht von unabhängiger Seite bestätigen.

Zu Kämpfen kam es am Wochenende unter anderem in Marynka, einem Dorf am Rande von Donezk. Informationen zufolge starben in Marynka sechs Zivilisten durch Raketen- und Granatwerferbeschuss. Die Separatisten bezifferten die Todesopfer auf 30. In Medienberichten waren angeschossene Häuser und durchlöcherte Gartentore zu sehen. Auch am Sonntag kam es dort erneut zu Kampfhandlungen. Laut dem lokalen Nachrichtenportal „Nachrichten des Donbass“ wurden mehrere Wohnviertel der knapp eine Million Einwohner zählenden Metropole beschossen. Die Menschen wurden angewiesen, in die Keller zu gehen.

Wer kann, der verlässt in diesen Tagen die Stadt. Die Separatisten behaupteten zuletzt, dass 70.000 der 900.000 Einwohner aus Donezk bereits abgereist seien.

Putin und Merkel treffen sich in Rio

Fernab von der Ukraine, in Rio de Janeiro, trafen gestern die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und Präsident Putin zusammen, um über die aktuelle Lage zu beraten. Ursprünglich hätte auch der ukrainische Präsident Petro Poroschenko nach Brasilien kommen sollen, doch er sagte wegen der angespannten Lage seinen Besuch ab. Einem Regierungssprecher in Berlin zufolge wollten sich Merkel und Putin um 16 Uhr MESZ (Ortszeit 11 Uhr) treffen. Merkel ist zum Endspiel der Fußball-WM Deutschland gegen Argentinien am Abend nach Brasilien gereist, Putin hält sich als Gastgeber der nächsten Weltmeisterschaft dort auf. (ag./som)

Weitere Infos:www.diepresse.com/ukraine

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.07.2014)

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