Spionage: Kurz & Kerry im Bann der CIA-Affäre

U.S. Secretary of State Kerry points to journalists as he walks to a meeting at a hotel in Vienna
U.S. Secretary of State Kerry points to journalists as he walks to a meeting at a hotel in Vienna(c) REUTERS (HEINZ-PETER BADER)
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Sebastian Kurz ließ vor Treffen mit US-Außenminister Kerry in Wien ein Völkerrechtsgutachten erstellen: Österreich könnte US-Agenten, die angeblich einen deutschen BND-Maulwurf führten, ausweisen.

Wien. Selten noch hat sich ein amerikanischer Außenminister derart lang auf österreichischem Boden aufgehalten. Bis zum heutigen Dienstag, mehr als 48 Stunden also, wird John Kerry in Wien bleiben. Das hat zwei Gründe, einen außenpolitischen und einen profanen. Erstens wollte Kerry auch noch solo ohne die Außenminister der übrigen vier Vetomächte und Deutschlands im Palais Coburg intensive Gespräche mit dem iranischen Außenminister, Javad Zarif, fortführen, um die Verhandlungen über die Beilegung des Atomstreits noch vor Ablauf der Frist am 20.Juli endlich voranzubringen. Zweitens erschien es ihm angesichts der 1023 Stunden (42 Tage), die er seit seinem Amtsantritt in Flugzeugen verbracht hat, sinnvoll, vor seiner nächsten Reise nach Ägypten nicht leere Kilometer nach Washington abzuspulen, sondern gleich in Europa zu bleiben.

Dieses Zeitfenster, so hoffte Außenminister Sebastian Kurz, sollte auch ihm ein Treffen mit dem Chefdiplomaten der Supermacht ermöglichen – spätestens am heutigen Dienstag, wie es zuletzt aussah. Schon am Sonntag hatte er um einen Termin angesucht. Die Antwort der Amerikaner blieb zunächst aus. Vielleicht lag das auch an der Themenliste, die von österreichischer Seite eingereicht worden war.

Denn Kurz wollte mit Kerry nicht nur über das iranische Atomprogramm fachsimpeln, sondern eine Spionageaffäre anschneiden, deren Fäden in Österreich zusammenlaufen: Es geht um Markus R., den 31-jährigen Mitarbeiter des deutschen Bundesnachrichtendienstes (BND), den die CIA laut „Spiegel“ als Informanten angeworben hat. Er soll die Amerikaner bei konspirativen Treffen in Salzburg mit Geheimdokumenten versorgt und dafür 25.000 Euro kassiert haben. Noch pikanter für Österreich ist ein anderes Detail des Falls: Die US-Führungsoffiziere des deutschen Maulwurfs saßen angeblich in der Wiener US-Botschaft in der Boltzmanngasse.

Kurz wollte seinen US-Amtskollegen bei einem Treffen in Wien um Aufklärung bitten. Im Völkerrechtsbüro des Außenamts ließ er nach Informationen der „Presse“ bereits eine Expertise einholen: Demnach wäre es für Österreich möglich, die betreffenden US-Diplomaten auch dann auszuweisen, wenn ihre Spionagetätigkeit ein anderes Land betrifft. Es sei eine politische Entscheidung, jemanden zur Persona non grata zu erklären und zu ersuchen, das Land zu verlassen, heißt es. Ob das je passiert? Bisher ist nicht einmal die Identität der mutmaßlichen US-Führungsoffiziere geklärt. Außerdem ist es ein offenes Geheimnis, dass die Amerikaner auch Agenten als Diplomaten akkreditiert haben. Botschafter anderer Nationen handhaben es nicht anders. Eine Ausweisung käme einem Affront gleich. Die deutsche Regierung tat es zuletzt trotzdem; sie war ja auch selbst Ziel der US-Spionageaktion.

Eingeschaltet in den Fall ist, wie „Die Presse“ erfahren hat, mittlerweile auch das BVT, das beim Innenministerium angesiedelte Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung. Dessen Beamte stehen seit dem Wochenende mit den deutschen BND-Kollegen in Kontakt. Doch bei den Nachforschungen sind den österreichischen Schnüfflern die Hände gebunden. Die Causa ist hierzulande strafrechtlich irrelevant, denn es sind keine österreichischen Sicherheitsinteressen berührt. Und außerdem genießen die mutmaßlichen Agenten der US-Botschaft ja diplomatische Immunität.

Geheimattaché residierte in Frankfurt

Das grenzüberschreitende Spionieren, der Informationsaustausch auf fremdem Boden, hat nicht nur lange Tradition. Er dürfte institutionalisiert sein. Zumindest vor zwei Jahren noch hatten die USA einen Geheimdienstattaché in Österreich akkreditiert, doch dessen Residenz befand sich in Frankfurt. Das geht aus einem Bericht hervor, den das Inspektionsbüro des State Department im März 2012 über die US-Botschaft in Wien fertiggestellt hat. Manche Zweigstellen der US-Sicherheitsbehörden an der US-Vertretung in Wien hätten „regionale Verantwortlichkeiten“, heißt es in dem Papier, das der „Presse“ vorliegt. Die Revisoren loben darin nicht nur, dass das österreichische Parlament „mit Unterstützung der US-Botschaft“ 2010 ein Gesetz verabschiedet hat, das den Aufenthalt in Terrortrainingscamps unter Strafe stellt. Sie würdigen auch ausdrücklich den Geheimdienstattaché in Frankfurt, der so gut und regelmäßig Kontakt mit den Kollegen in Wien halte.

AUF EINEN BLICK

Die CIA warb laut „Spiegel“ einen Mitarbeiter des deutschen BND an. Geführt wurde er angeblich aus der US-Botschaft in Wien. Sebastian Kurz wollte den Fall bei einem Treffen mit US-Außenminister Kerry in Wien ansprechen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.07.2014)

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