Rudolf Hundstorfer ist dieser Tage ein gespaltener Mann: Er muss die Koalition gegenüber den Gewerkschaftern verteidigen – obwohl er die Position des ÖGB eigentlich teilt.
Wien. „Es ist hoch an der Zeit, dass alle durchatmen und einen Schritt zurückmachen. Neuwahlen herbeizureden hilft nur der FPÖ.“ Das betonte Sozialminister Rudolf Hundstorfer am Montag in einer Aussendung „angesichts aktueller Wortmeldungen“. Gute Freunde will man schließlich nicht beim Namen nennen. Doch es ist klar, wen Hundstorfer in die Schranken weist.
Es sind die eigentlich engsten Verbündeten, die Gewerkschafter. Erst am Wochenende hat der Chef der sozialdemokratischen Gewerkschafter, Wolfgang Katzian, die Koalition mit der ÖVP infrage gestellt. Bleibe die ÖVP bei ihrer Haltung (keine Vermögensteuern, eine Steuersenkung nur durch Einsparung finanzieren), dann „muss es krachen“, sagte Katzian dem „Standard“. Und weiter: „Wenn gar nichts mehr geht, muss man sich überlegen, ob die Koalition noch Sinn macht.“
Das Thema Steuerreform sorgt für Turbulenzen. Dabei wollen Hundstorfer und die Gewerkschaft eigentlich dasselbe: eine möglichst rasche Steuerreform. Doch ein Minister kann auch nicht zusehen, wenn Parteifreunde die Koalition infrage stellen. Hundstorfer, so zeigt sich, sitzt zwischen allen Stühlen – zwischen Koalitionstreue und Gewerkschaft. Wobei man aus der vermeintlichen Schwäche auch eine Stärke konstruieren könnte: Den internen Druck kann Hundstorfer nämlich auch verwenden, um der ÖVP klarzumachen, wie wichtig eine rasche Steuerreform ist, will sie die Koalition nicht gefährden.
Doch auch die Gewerkschafter spielen offenbar ein Doppelspiel. Die SPÖ-Fraktion im Gewerkschaftsbund (ÖGB) wird ausgeschickt, um zu poltern. Der ebenfalls rote ÖGB-Präsident, Erich Foglar, hingegen wollte sich auf „Presse“-Anfrage am Montag nicht zur Frage äußern, inwieweit eine fehlende Steuerreform die Koalition sprengen könnte. Das, obwohl der ÖGB über den Sommer sogar eine große Unterschriftenaktion für eine rasche Lohnsteuersenkung betreibt.
ÖGB-Vizepräsidentin und SPÖ-Abgeordnete Sabine Oberhauser spielte zuletzt sogar die Macht der Gewerkschafter herunter: Man brauche die Unterschriftenaktion, denn die „wenigen Gewerkschafter“ im Nationalrat könnten sonst keine Lohnsteuersenkung erreichen.
Auftritte von Hundstorfer – wie etwa am Montag im Klub der Wirtschaftspublizisten – lassen aber durchblicken, dass es in der Koalition nicht ganz rund läuft. Streitthema ist ja auch der Zustand des Pensionssystems. In der Vorwoche präsentierte Hundstorfer das Ergebnis des Pensionsmonitorings. Dieses zeigt einen Anstieg des faktischen Pensionsantrittsalters von 58,1 Jahren im Mai des Vorjahres auf 58,8 Jahre im heurigen Mai – für Hundstorfer ein Beleg, dass man auf dem richtigen Weg sei. ÖVP-Generalsekretär Gernot Blümel sprach daraufhin von „billigen Tricks der SPÖ“. Ähnlich ÖVP-Finanzstaatssekretär Jochen Danninger: „Die Zahlen sind leider ernüchternd und belegen einmal mehr, dass wir bei den Pensionen handeln müssen.“
„Nicht Schädel einhauen“
„Auf dieses Niveau begebe ich mich nicht runter“, sagte Hundstorfer im Klub der Wirtschaftspublizisten zu den ÖVP-Wortmeldungen. Die Unstimmigkeiten zu dem Thema seien aber koalitionsintern übers Wochenende beseitigt worden, betonte der Minister, ohne ins Detail zu gehen. Dass es den jüngeren Generationen in der Pension schlechter gehen wird als ihren Vorgängern leugnete Hundstorfer nicht: „Die Generation der heute 70-Jährigen hat eine Pension, die ihre Kinder nie haben werden.“ Er appellierte an die Erwerbstätigen, nicht zu lange in Teilzeit zu arbeiten, denn im neuen System „zählt jeder Monat“.
Hundstorfer machte sich auch am Montag für eine rasche Steuerreform im Sinn der SPÖ stark. Die von der Regierung eingesetzte Arbeitsgruppe solle man aber über den Sommer arbeiten lassen. Dann könne man „immer noch auf Wahlkampftöne umschalten“. „Wir sind gewählt worden, um zu regieren, nicht um uns den Schädel einzuhauen“, erklärte Hundstorfer.
Wer zwischen allen Stühlen sitzt, muss schließlich besonders aufpassen, dass ihm nichts passiert.
AUF EINEN BLICK
Sozialminister Rudolf Hundstorfer sitzt derzeit zwischen den Stühlen: Einerseits obliegt es ihm, die Koalition mit der ÖVP zu verteidigen, die von den roten Gewerkschaftern wegen der noch fehlenden Steuerreform infrage gestellt wird. Andererseits ist Hundstorfer inhaltlich auf einer Linie mit den Gewerkschaftern – auch er will eine rasche Lohnsteuersenkung. Umgekehrt kommt ihm der gewerkschaftliche Druck in den Verhandlungen mit der ÖVP wieder gelegen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.07.2014)