Die Äußerungen der Karstadt-Führung über einen Sanierungskurs ohne Kompromisse werden von Betriebsrat und Gewerkschaft kritisiert.
Zittern bei Karstadt und kein Ende in Sicht: Vier Jahre nach dem Einstieg des Investors Nicolas Berggruen müssen wieder tausende Beschäftigte des Essener Warenhauskonzerns um ihre Zukunft bangen. Karstadt-Aufsichtsratschef Stephan Fanderl hat nun eine harte Sanierung angekündigt.
Zwischen 2500 und 3500 Karstadt-Mitarbeiter könnten nach einer Schätzung des Handelsexperten Thomas Roeb von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg betroffen sein. Nicht zum ersten Mal geht unter den Beschäftigten des 2009 in die Insolvenz gegangenen Unternehmens die Angst um: "Aber die Leute zittern jetzt wirklich. Sie wollen endlich wissen, was Sache ist", beschreibt ver.di-Handelsexpertin Erika Ritter die aktuelle Stimmungslage.
Viertel der Filiale könnte geschlossen werden
In einem Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" ("FAZ", Dienstag) hatte der Karstadt-Chefkontrolleur den 17.000 Karstadt-Mitarbeitern einen harten Sanierungskurs angekündigt und legt nach: "Es ist klar, dass Karstadt in der derzeitigen Situation alles auf den Prüfstand stellen muss. Und zwar schnell", sagte er der Zeitung. Bis zu einem Viertel der derzeit 83 Filialen bereiten dem Unternehmen derzeit Sorgen und könnten vor der Schließung stehen.
Auch die die Karstadt-Geschäftsführer Kai-Uwe Weitz und Miguel Müllenbach kündigten in einem Brief an die Karstadt-Beschäftigten einen Sanierungskurs ohne Kompromisse an. "Um Karstadt zu retten, muss alles auf den Prüfstand, wir können uns weder Tabus in der Hauptverwaltung, noch bei der Logistik oder in einzelnen Filialen leisten", heißt es in dem Schreiben.
Unsicherheit bei Belegschaft
"Die Äußerungen von Herrn Fanderl in Bezug auf die Sanierungsabsichten des Unternehmens haben bei den Beschäftigten für große Unsicherheit gesorgt", beklagte auch Karstadt-Betriebsratschef Hellmut Patzelt. ver.di-Bundesvorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger wies auf "Ungewissheit, Verunsicherung und Ängste" bei den Beschäftigten hin.
Erst in der vergangenen Woche hatte der überraschende Rückzug der als Hoffnungsträgerin gehandelten Karstadt-Chefin Eva-Lotta Sjöstedt für einen Schock gesorgt. Dabei hatte der Neustart von Karstadt nach der Übernahme aus der Insolvenz im Herbst 2010 so vielversprechend begonnen: Der frisch gebackene Karstadt-Eigner hatte zum Start seines Engagements den Erhalt aller damals noch rund 120 Filialen und 25.000 Arbeitsplätze zugesagt. Mittlerweile sind die lukrativen Sport- und Luxushäuser des Unternehmens abgetrennt und gehören zu drei Viertel dem österreichischen Karstadt-Vermieter Signa des Tirolers Rene Benko.
Milliarden-Investitionen notwendig
Doch ohne millionenschwere Investitionen eines Investors sehen Handelsexperten die Zukunft der bei Berggruen verbliebenen Warenhäuser kritisch. Der Handelsexperte Gerd Hessert von der Universität Leipzig schätzt, dass Investitionen zwischen 500 Millionen und einer Milliarde Euro notwendig wären, um den Warenhausriesen zu sanieren. Vor allem Standorte in kleineren Städten müssten jedoch um ihre Zukunft bangen. Für die mögliche Schließung von etwa 20 Filialen kämen noch einmal Kosten von bis zu 100 Mio. Euro hinzu, die zusätzlich verkraftet werden müssten, schätzt der Experte.
(APA/dpa)