Gericht: Todesstrafe in Kalifornien ist gegen Verfassung

Ernest D. Jones, der Todeskandidat, dessen Fall zum Anlass für das Urteil wurde
Ernest D. Jones, der Todeskandidat, dessen Fall zum Anlass für das Urteil wurdeREUTERS
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Die quälend lange Zeit zwischen Verurteilung und Hinrichtung sei verfassungswidrig, die Anwendung der Todesstrafe in Kalifornien "dysfunktional".

Spektakulärer Urteilsspruch in Kalifornien: Ein US-Bundesrichter hat die Todesstrafe in dem Bundesstaat wegen der qualvollen und ungewissen Zeit bis zu ihrer Vollstreckung als verfassungswidrig eingestuft. Die Anwendung der Todesstrafe in dem Bundesstaat sei derart „dysfunktional“, dass das System „verfassungswidrig“ sei, urteilte Richter Cormac Carney. Menschenrechtsaktivisten begrüßten die Entscheidung als Meilenstein.

Im konkreten Fall wurde das Todesurteil gegen Ernest Dewayne Jones zurückgenommen. Jones war 1995 wegen der Ermordung der Mutter seiner Freundin zum Tode verurteilt worden. „Zwei Jahrzehnte später bleibt Herr Jones in einer kalifornischen Todeszelle mit vollständiger Unsicherheit, wann oder ob die Exekution überhaupt kommen wird“, schrieb der Richter. Und das sei kein Einzelfall. Seit Wiedereinführung der Todesstrafe in Kalifornien im Jahr 1978 seien von den mehr als 900 verhängten Todesurteilen nur 13 vollstreckt worden.

"Vollstreckung wirkt willkürlich"

Aus sorgfältigen und gezielten Entscheidungen seien Strafen geworden, die keine rationalen Geschworenen und kein Gesetzgeber verhängen würde: „Ein Leben im Gefängnis mit der entfernten Möglichkeit des Todes“, schrieb der Richter. Für die wenigen, die dann tatsächlich hingerichtet würden, wirke die Vollstreckung willkürlich und erfülle „keine abschreckende oder bestrafende Wirkung". Carneys Entscheidung kann von einem Bundesberufungsgericht noch gekippt werden.

Das Urteil sei bedeutend, weil die Todesstrafe in den Vereinigten Staaten dadurch noch stärker auf den Prüfstand komme, sagte die Vorsitzende der Nationalen Koalition für die Abschaffung der Todesstrafe, Diann Rust-Tierney. Die Entscheidung sei umso bemerkenswerter, als dass Carney ein Richter aus dem konservativen Lager sei, das die Todesstrafe gewöhnlich befürwortet.

Verurteilter beteuerte bis zuletzt Unschuld

Seit 2004 haben in den USA sechs Bundesstaaten die Todesstrafe abgeschafft, in weiten Teilen des Landes ist sie aber weiter Bestandteil der Strafjustiz. So wurde in Missouri gerade erst am Mittwoch ein vor 17 Jahren verurteilter Dreifachmörder per Giftspritze hingerichtet. John Middleton sei acht Minuten nach der Injektion gestorben, teilte ein Sprecher des Strafvollzugs mit. Der 54-Jährige hatte bis zuletzt seine Unschuld beteuert und sich vergeblich um einen Aufschub beim Obersten Gerichtshof der USA bemüht.

Seit Jahresbeginn sind in den Vereinigten Staaten 25 Gefangene hingerichtet worden. Im Frühjahr hatte eine schwere Panne bei einer Exekution in Oklahoma die Debatte über die Todesstrafe neu entfacht. In dem Bundesstaat war die Hinrichtung eines Todeskandidaten nach wenigen Minuten abgebrochen worden, weil es Probleme mit der Giftinjektion gab. Der Mann wand sich anschließend im Todeskampf vor Schmerzen. Erst 43 Minuten nach Verabreichung der nicht erprobten Giftmischung erlitt er einen tödlichen Herzinfarkt.

Europäer liefern kein Hinrichtungs-Gift mehr

Die US-Strafvollzugsbehörden haben seit längerem Nachschubprobleme bei den Mitteln für die Giftspritzen, da sich die europäischen Hersteller der lange verwendeten Substanzen weigern, diese weiter für Hinrichtungen zur Verfügung zu stellen. Mehrere US-Bundesstaaten haben daher neue und nicht erprobte Giftmischungen ausprobiert. Oklahoma ordnete nach der Tortur die vorläufige Aussetzung aller Exekutionen an.

(APA/AFP)

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