Pilotprojekt Tullnerfeld: Kindergarten speziell für Pendler

Rudolf Friewald
Rudolf Friewald(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Ein neuer, weitgehend leer stehender Bahnhof mitten auf dem Feld, plus umliegende Gemeinden, die mehr Betreuungsplätze in ihren Kindergärten bräuchten. Daraus erwächst Österreichs erster Pendler-Kindergarten.

Tullnerfeld. Noch schaut der Bahnhof Tullnerfeld so aus, wie die Neubauten der ÖBB heute eben so ausschauen. Kühl, glatt. Viel Sichtbeton, Glas, Stahl. Nicht so kinderfreundlich. „Da drinnen“, zeigt Rudolf Friewald, der Bürgermeister (ÖVP) von Michelhausen, durch den langgezogenen Raum, in dem Arbeiter am Werk sind, „entsteht der Gruppenraum. Dahinter die Garderobe“. Vor der Glasfront, in der Bahnhofshalle, wird ein Bereich abgesperrt, quasi als Wintergarten, in dem Zweieinhalb- bis Fünfjährige dann mit Bobby-Cars ihre Runden drehen können. Oder mit Loks und Zügen spielen, schließlich werden sie ihre Tage auf dem Bahnhof verbringen. Im Tullnerfeld, auf dem Bahnhof an der neuen Weststrecke, entsteht Österreichs erster Pendlerkindergarten. Anfang September (oder ein paar Wochen später, die Bauarbeiten in Kooperation mit der ÖBB seien ja nicht ganz unkompliziert, sagt Friewald) soll der Kindergartenbetrieb starten.

Für ihn ist der Kindergarten die Lösung für gleich zwei Probleme: Zum einen wächst in seinem 2700-Einwohner-Ort, genauso wie in den Nachbargemeinden, der Bedarf an Betreuungsplätzen. Dank der neuen, schnellen Anbindung an Wien, ziehen Pendler zu, darunter viele Familien. Allein in Michelhausen ist die Einwohnerzahl in den vergangenen fünf Jahren um 300 bis 400 Menschen gewachsen. Dazu kommt, dass jüngere Kinder betreut werden – je nachdem, wie viele Zweieinhalbjährige in einer Kindergartengruppe sind, umso kleiner müssen die Gruppen sein. Michelhausen betreibt schon einen fünfgruppigen Kindergarten, eine zusätzliche Gruppe wurde vom Land für den Ort allein nicht genehmigt, sagt Friewald.

Dazu kam der leere Bahnhof. Dieser ist seit gut einem Jahr in Betrieb, die Geschäftsflächen stehen aber weitgehend leer, obwohl den Bahnhof jeden Morgen immerhin 2700 Pendler frequentieren. Ein Bäcker, ein Café, eine Apotheke hätten schon einziehen sollen. Friewald spricht von langwierigen Behördengängen, von schwerfälligen Verhandlungen mit der Bahn, die das bisher verhindert hätten.

Nur für Pendlerkinder

Aber aus den beiden Problemen entstand die Idee, mit anderen Gemeinden einen Pendlerkindergarten einzurichten. Auch in St. Pölten wurde das goutiert, die neuen Stellen für Mitarbeiterinnen wurden genehmigt. In den Pendlerkindergarten können Kinder aus theoretisch jeder Gemeinde Niederösterreichs kommen. Vorausgesetzt, die jeweilige Gemeinde stimmt dem zu und zahlt den Beitrag. Zumindest ein Elternteil muss aber vom Bahnhof Tullnerfeld aus pendeln und das per Monats- oder Jahreskarte belegen. Das solle verhindern, dass völlig freie Wahl und eine Art Konkurrenz entstehe.

Auf die Pendler stellen sich die Kindergartenbetreiber – das sind vier Gemeinden – mit äußerst flexiblen Öffnungszeiten ein. Sofern es mindestens drei Kinder gibt, für die Bedarf besteht, könnten diese von 5.30 bis 19 Uhr betreut werden. Vorerst wird das eher nicht der Fall sein, bisher gibt es erst fünf Anmeldungen. Platz wäre für etwa zwölf.

Bis zum Herbst sollen es noch mehr werden, auch wenn der Kindergarten im Bahnhof nur ein Provisorium sein wird: In einem Jahr soll ein ständiger Kindergarten in dem Gebäude davor entstehen, das erst gebaut wird. Bis dahin soll auch in den Bahnhof selbst endlich Leben kommen: In den nächsten Wochen wird die Übergabe der Generalpacht der Geschäftsflächen von den Gemeinden an private Investoren finalisiert. Und demnächst, so Friewald, ziehen dann auch ein Bäcker und ein Café auf die noch leeren Flächen ein.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.07.2014)

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