VP-Generalsekretär Blümel: "Das Binnen-I verwende ich nicht"

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Blümel(c) Die Presse - Clemens Fabry
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Generalsekretär Gernot Blümel besteht auf Wahlfreiheit in der Familienpolitik und Hahn als EU-Kommissar.

Die Presse: Klubchef Reinhold Lopatka hat die ÖVP aufgefordert, in der Familienpolitik umzudenken: Man müsse viel stärker in Kinderbetreuungseinrichtungen investieren. Ist das die neue Parteilinie?

Gernot Blümel: Die Aussage ist im Zusammenhang mit dem Evolutionsprozess (die Reform des Parteiprogramms, Anm.) gefallen. Dabei soll es eine offene Diskussion über das Grundsatzprogramm der ÖVP geben.

Wird sich die ÖVP familienpolitisch neu ausrichten?

Familienpolitik ist ein Teilbereich der Grundpositionen. Darüber wird diskutiert.

Bisher hat sich die ÖVP immer auf Geldleistungen in der Familienpolitik gesetzt. Lopatka hat nun einen Paradigmenwechsel angedeutet.

Unser Grundsatz lautet Wahlfreiheit. Daran halten wir fest.

Gibt es diese Wahlfreiheit wirklich? Alleinerziehende Eltern auf dem Land haben mangels Kinderkrippen oft keine Wahl.

Es kommt auf die Gegebenheiten vor Ort an. In fast allen Bereichen kann man an Verbesserungen arbeiten. Es geht hier auch ums Geld. Wir haben schon 350 Mio. für neue Kinderbetreuungseinrichtungen in die Hand genommen. Im Rahmen des budgetär Möglichen kann weiter daran gearbeitet werden.

Heißt das, Sie teilen Lopatkas Meinung?

Das Prinzip heißt Wahlfreiheit. Alles, was der Wahlfreiheit dient, ist in Ordnung.

Warum können Sie mir nicht einfach sagen, ob Sie ihm recht geben oder nicht?

Weil es um die Verbesserung der Wahlfreiheit geht. Sie ist zu fördern.

Ich habe aber das Gefühl, Sie wollen mir ausweichen. Also: ja oder nein?

Ich kann Ihnen nur dieselbe Antwort geben: Das oberste Prinzip ist die Wahlfreiheit. Wenn es da Verbesserungsmöglichkeiten gibt, wird man sich dem nicht verschließen. Aber ich bin kein Familienexperte.

Sie sind zuletzt durch die Länder getourt, um über die Reform des Parteiprogramms zu reden. Was ist Ihr Fazit?

Es herrscht das Grundbewusstsein, dass wir uns weiterentwickeln müssen. Das Programm ist 20 Jahre alt, da hat sich viel getan.

Wo besteht konkret Änderungsbedarf?

Der Bereich der Demokratie wurde oft angesprochen, auch das Direkte-Demokratie-Paket der ÖVP. Es gibt Länder, die ein Vorzugsstimmenmodell haben, darüber wird geredet. Aber auch das Thema Generationenvertrag ist ein Dauerbrenner.

Können Sie da konkreter werden?

Es wird eine offene, breite Diskussion zu unserem Grundsatzprogramm geben. Würde ich konkreter werden, würde ich die Richtung vorgeben. Das ist nicht das Ziel einer offenen Diskussion.

Soll es eine Urabstimmung geben?

Mitglieder sollen über Ergebnisse und Ideen online abstimmen können. Eine Urabstimmung ist eine Möglichkeit.

Haben Sie sich eigentlich schon an die Töchter in der Hymne gewöhnt?

Schon, ja.

Was sagen Sie zum Auftritt von Andreas Gabalier, bei dem er nur die Söhne besungen hat?

Ich weiß, was der aktuelle Stand des Textes ist, und daran halte ich mich.

Es fällt auf, dass sich die ÖVP-Spitze dazu nicht geäußert hat. Warum ist das so?

Weil wir wirklich wichtigere Diskussionen zu führen haben.

Was sagen Sie zur Debatte über das Binnen-I?

Es trägt weder zur Gleichberechtigung noch zur besseren Lesbarkeit bei, daher verwende ich das Binnen-I nicht, ich verwende die weibliche und männliche Form. Das ist ein Sommerloch-Thema.

Man hat das Gefühl, dass die ÖVP diese gesellschafts- und frauenpolitischen Themen abtut, mit dem Argument: „Es gibt wichtigere Themen.“ Es gibt immer wichtigere Themen.

Na ja, weil es so ist. Wenn Sie das das Binnen-I als frauenpolitisches Thema sehen, gratuliere ich Ihnen zu Ihrer Auffassung von Frauenpolitik.

Es ist ein Teilaspekt von Frauenpolitik.

Oh, mein Gott!

Warum „oh, mein Gott“?

Weil es in keiner Weise zur Gleichberechtigung beiträgt.

Ist die Nominierung von Johannes Hahn als EU-Kommissar fix? EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker will eine höhere Frauenquote in der Kommission. Kanzler Werner Faymann hat daraufhin gemeint, er verstehe das – eine Garantie für Hahn gebe es nicht.

Die Regierung hat sich geeinigt, Hahn zu nominieren.

Hätten Sie ein Problem damit, wenn es keine oder kaum Frauen in der EU-Kommission gäbe?

Mir ist wichtig, dass Johannes Hahn wieder Kommissar wird.

Zieht man sich da nicht aus der Verantwortung?

Warum? Es gab keine Vorgabe. Hahn hat einen sehr guten Job gemacht und wurde daher wieder nominiert.

Sie wiederholen ständig dieselben Sätze.

Sie stellen auch immer dieselben Fragen.

Weil ich keine Antworten auf meine Fragen bekomme.

Das sind meine Antworten.

ZUR PERSON

Gernot Blümel (32) ist seit 2013 Generalsekretär der ÖVP. Seine Karriere begann im Jahr 2006, als er Internationaler Sekretär der JVP wurde. Bis 2008 war er parlamentarischer Mitarbeiter, danach Referent im Büro des damaligen Zweiten Nationalratspräsidenten Michael Spindelegger und später im Büro des Außenministers Spindelegger. Blümel, der Wirtschaft und Philosophie studiert hat, koordiniert nun die Reform des ÖVP-Programms.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.07.2014)

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