Gerade von einem Finanzministerium ist zu erwarten, dass es auch bei komplexen Themen genau arbeitet. Billigster Populismus gegen die "andere Reichshälfte" ist hingegen ein Armutszeugnis.
Was sind schon 600 Millionen Euro? Das dürften sich die Experten im Finanzministerium gedacht haben, als sie Finanzminister Michael Spindelegger am Montag mit falschen Zahlen auf seine jüngste Attacke gegen die ÖBB geschickt hatten. Denn genau um diese Summe hat man sich in der Himmelpfortgasse bei den staatlichen Geldern, die das System Bahn die Österreicher jährlich kostet, verrechnet. Bei mehreren Milliarden jährlich sind ein paar hundert Millionen auf oder ab auch schon egal, oder?
Das sind sie aber nicht. Die heimische Bahn ist nicht nur das größte Unternehmen des Landes, dessen Dienstleistungen täglich von tausenden Österreichern benötigt werden. Sie ist auch ein äußerst komplexes Gebilde. Viele der Millionenzahlungen, die an die Bahn fließen sind zu hinterfragen – und abzustellen. Etwa jene, die ermöglichen, dass Dieselzüge mit drei Passagieren weiter flott durchs Land fahren, weil sich ein Landeshauptmann das einbildet. Andere sind zwar ärgerlich, aber in einem Rechtsstaat hinzunehmen, wie jene für bereits pensionierte Jung-Eisenbahner. Auch wenn diese bereits nach 35 Dienstjahren ihren Ruhestand antreten durften. Und manche sind schlicht notwendig, wie etwa jene für den sinnvollen Ausbau der Infrastruktur – ob dabei, wie gerade von Spindelegger angeführt, auch alle Tunnelgroßprojekte dazu gehören ist hingegen wieder eine andere Frage.
Bei den ÖBB liegt noch vieles im Argen und gehört reformiert. Aber bei Kritik ist gerade vom Finanzministerium zu erwarten, dass es bei einem so komplexen Unternehmen genau hinsieht und mit fundierten Zahlen sachlich argumentiert – und nicht billigsten Populismus gegen „die andere Reichshälfte“ fährt. Das haben sich nämlich nicht einmal die ÖBB verdient.