Erstmals seit 1962 hielt das Königreich einen Trauertag ab. Holland übernahm Leitung bei der Identifizierung der Opfer. Ein Teil der Leichen liegt noch an der Unglücksstelle, wo sich Verdacht auf Plünderung erhärtet.
Den Haag. Am militärischen Teil des Flughafens in Eindhoven nahmen die Spitzen der Niederlande die ersten Särge der Opfer der Malaysia-Airlines-Maschine in Empfang, die vorige Woche über der Ostukraine abgeschossen worden war. König Willem Alexander und Premierminister Mark Rutte erwiesen den toten Staatsbürgern die letzte Ehre, unter anderem mit einer Schweigeminute. Nach und nach werden die Leichen aus der ostukrainischen Stadt Charkow zurück in die Niederlande gebracht. Von den 298 Todesopfern stammen zwei Drittel aus Holland.
Zum ersten Mal seit 1962, seit dem Tod von Königin Wilhelmina, begingen die Niederlande am Mittwoch einen „Nationalen Trauertag“. Die Flaggen an allen öffentlichen Gebäuden hingen auf Halbmast, Radio und Fernsehen verzichteten auf Werbespots und Quizsendungen. In vielen niederländischen Städten fanden Schweigemärsche, Gottesdienste und Gedenkveranstaltungen für die Opfer des Flugs MH17 statt. Vielerorts läuteten die Kirchenglocken.
Die Niederlande übernahmen auf Wunsch der Ukraine offiziell die Leitung der Untersuchung zur Absturzursache. Die Identifizierung der Opfer soll in einer Kaserne in Hilversum erfolgen, ein Team von mindestens 60 Forensikern soll in Schichten rund um die Uhr arbeiten. „Es ist zu befürchten, dass das lange dauern wird. Vielleicht Wochen, vielleicht Monate“, stellte Rutte fest.
An Ort und Stelle untersucht ein Expertenteam derweil die Unglücksstelle in die Ukraine. „Sollte sich herausstellen, dass dies ein Anschlag war, dann werde ich mich persönlich dafür einsetzen, dass die Täter aufgespürt und vor ein Gericht gestellt werden“, kündigte der Ministerpräsident an.
Die internationalen Experten sollen auch weiterhin nach sterblichen Überresten von Passagieren des Flugs MH17 suchen. Denn nach Angaben der niederländischen Forensiker in der Ukraine seien von den Separatisten nur 200 Leichen übergeben worden – und nicht 282, wie die pro-russischen Separatisten zunächst behauptet hatten. Es müssen also noch Leichen oder Leichenteile an der Unglücksstelle liegen.
Fremde Stimme am Handy
Inzwischen gibt es auch erste Beweise dafür, dass Hab und Gut der toten Passagiere nach dem Absturz geplündert worden ist. Eine Mutter, die ihren Sohn verloren hat und mehrmals nach dem Absturz dessen Handynummer wählte, habe Verbindung mit einem „Mann mit einer osteuropäisch klingenden Stimme“ ans Telefon bekommen, berichtet die Zeitung „De Telegraaf“. Niederländische Journalisten berichten von der Unglücksstelle, sie hätten dort kaum Smartphones oder Brieftaschen gesehen. Ihre Schlussfolgerung: „Es muss im großen Stil geplündert worden sein.“
Niederländische Banken und Telefongesellschaften erklärten, sie würden auf Bitte der Angehörigen der Opfer sofort und unbürokratisch Kreditkarten und Smartphones sperren lassen. Die Vorlage eines Totenscheins, wie dies gesetzlich vorgeschrieben ist, sei in diesem Fall nicht nötig.
Die Separatisten haben indessen die Flugschreiber der Boeing 777 einer Delegation aus Malaysia übergeben, die sie wiederum umgehend an Großbritannien weitergeleitet hat. Sie sollen in den kommenden Tagen in London ausgewertet werden.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.07.2014)