Wie bunt trieb es Sprayer „Puber“?

PROZESS GEGEN SCHWEIZER SPRAYER 'PUBER' IN WIEN
(c) APA/HERBERT PFARRHOFER
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Prozessstart gegen Schweizer, der 232 Fassaden beschmiert haben soll. Der Angeklagte spricht von höchstens 20 bis 30 Fällen. Privatbeteiligte nennen bemerkenswerte Schadenssummen.

Wien. „Puber“ findet man in Wien überall. Zum Beispiel auf unzähligen Fassaden, Mauern und Türen. Auch wenige Meter vom Straflandesgericht entfernt, auf dem Friedrich-Schmidt-Platz, ist die Schmiererei, manche sagen Graffito dazu, in einer Hauseinfahrt zu sehen. Und ebendort, im Verhandlungssaal 203, sitzt seit Mittwoch eine Person auf der Anklagebank, die der Urheber dieser „Plage“ (Zitat, Staatsanwalt Markus Berghammer) sein soll.

Die Anklage wirft dem 30-jährigen Schweizer Renato S. schwere Sachbeschädigung mit einem Gesamtschaden von über 50.000 Euro vor. 232-mal wurden entsprechende „Gemälde“ (Zitat, Richter Wilhelm Mende) für den Strafantrag dokumentiert. Im schlimmsten Fall drohen dem Angeklagten dafür bis zu fünf Jahre Haft.

Der Zorn der Geschädigten ist ihm jedenfalls sicher. Gleich mehrere Dutzend haben sich als Privatbeteiligte dem Strafverfahren angeschlossen. Dabei fällt auf: Viele von ihnen wurden in der Vergangenheit bereits mehrfach Opfer von kostspieligen Sprayerattacken anderer, bis heute unbekannter Täter. Renato S., so scheint es fast, soll nun dafür büßen. Und zahlen.

Die Staatsanwaltschaft bezeichnet sein Schaffen in Wien als „Sachbeschädigung mit System“, die wegen seines Alters nicht mit jugendlichem Übermut zu entschuldigen sei. Auf mildernde Umstände kann S. wohl nicht hoffen. Auch wenn er sich teilgeständig zeigt. Zwar gibt er für 20 bis 30 Schriftzüge die Urheberschaft zu, allerdings ist er in der Schweiz einschlägig vorbestraft. Und: Auch aktuell läuft ebendort ein neues Ermittlungsverfahren gegen ihn. Der Vorwurf ist der gleiche wie in Österreich.

Ein Schuldspruch scheint also wahrscheinlich. Entscheidend wird jedoch sein, wie viele Taten der Richter, der S. gleich zu Beginn der Befragung unter allgemeiner Erheiterung mit „Herr Puber“ angesprochen hat, dem Angeklagten wird zuordnen können. Denn der Schriftzug, in der Szene nutzt man das englische Wort „tag“, wird allein in Wien von gleich mehreren Personen benutzt. Dabei unterscheiden sich die Schmierereien in Details. Einmal besteht „Puber“ nur aus Blockbuchstaben, ein anderes Mal ist das Wort mit Zusätzen versehen. Typisch für Renato S. soll jedenfalls ein klein geschriebenes e sein. Ein Grafologe hat für den Staatsanwalt so festgestellt, dass man in zumindest 111 der 232 angeklagten Fälle ziemlich sicher davon ausgehen könne, dass die Schmiererei auch tatsächlich von Renato S. stamme. Verlässlich weiß man das überhaupt nur bei drei „tags“. Zweimal waren Augenzeugen vor Ort, einmal gab es eine Videoüberwachung.

Da selbst der Staatsanwalt eingestand, dass es noch andere „Puber“-Schmierer gibt, führt S.s Verteidiger, Phillip Bischof, ein geordnetes Rückzugsgefecht mit starken Argumenten. Laut mehreren OGH-Entscheidungen zu ähnlichen Fällen sei bei dem Delikt der Sachbeschädigung – was sonst – der eingetretene Schaden entscheidend. Dabei hielt er dem Staatsanwalt vor, dass dieser in seiner Anklage Schmierereien berücksichtige, die mit einfachem Putzmittel entfernt werden konnten. Ebenfalls nicht oder nur schwer zu beziffern sei der Schaden in Fällen, in denen eine Fassade bereits vor dem Anbringen des Schriftzugs „Puber“ mit Graffiti beschmiert war.

 

Hohe Preisunterschiede

In diesem Zusammenhang war bemerkenswert, dass die Privatbeteiligten für die Entfernung der „Puber“-Schriftzüge sehr unterschiedliche Kosten angaben. Demnach kann die Reinigung ähnlich verschmutzter Fassaden in Wien zwischen 300 und 3000 Euro kosten. Gesäuberte Stromkästen sind zwischen 100 und 700 Euro zu haben.

Richter Mende will am Donnerstag die mühevolle Detailarbeit fortsetzen, alle angeklagten Schmierereien einzeln zu untersuchen. Oder wie er es zu Beginn der Verhandlung nannte: „Beginnen wir, Holz zu hacken.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.07.2014)


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