Pro und Kontra: Adoptionsrecht für Homosexuelle

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Kann eine „bevorzugte Bezugsperson“ eine Alternative zur Adoption sein? Oder müssen Gesetze der gesellschaftlichen Realität folgen?

Contra:"Norm so lassen und Einzelfälle ansehen"

Die Frage, ob homosexuelle Paare fremde Kinder adoptieren dürfen sollen, müsste sich für Stephanie Merckens so eigentlich gar nicht stellen. „Man muss das Problem aus einem anderen Blickwinkel betrachten. Nicht aus der Sicht des Paares, das einen Rechtsanspruch auf ein Adoptivkind möchte. Sondern aus der Sicht eines Kindes, das Eltern braucht.“

Da sei es ihrer Sicht nach das Beste für ein Kind, in einer stabilen Beziehung mit zwei Elternteilen verschiedenen Geschlechts als Bezugspersonen aufzuwachsen. Und, angesichts der Überzahl adoptionswilliger Paare im Vergleich zu den freigegebenen Kindern, sei „der intakten, stabilen und heterosexuellen Beziehung, der Normfamilie, der Vorzug zu geben“.

Merckens betont vor allem, wie wichtig der Bezug zu beiden Geschlechtern sei. „Ich verstehe nicht, warum etwa in der Debatte um männliches Betreuungspersonal so stark betont wird, wie wichtig dieser Bezug ist, in der Diskussion zum Adoptionsrecht für Homosexuelle aber nicht.“ Bei der Fremdadoption besteht damit aus ihrer Sicht kein Handlungsbedarf, da heterosexuelle Paare als Adoptiveltern „am ehesten dem Kindeswohl entsprechen“ würden und eine Freigabe aus Sicht des Kindes nicht notwendig sei.

In einem Punkt kann sich aber auch Merckens Bewegung vorstellen: Und zwar, wenn es um die Suukzessivadoption geht. Also in Fällen, bei denen ein homosexueller Partner allein ein Kind adoptiert, wie es etwa im Todesfall der Eltern eines Kindes durch einen Verwandten möglich ist. Eine gemeinsame Adoption ist homosexuellen Paaren aber auch dann verwehrt.

„Man könnte da etwa die rechtliche Form einer ,besonderen Bezugsperson‘ schaffen, die ähnliche Rechte wie das Adoptivelternteil hätte. Geht es etwa um fehlende rechtliche Ansprüche im Krankheitsfall des Kindes, könne die „bevorzugte Bezugsperson“ dieselben Vertretungsrechte wie das Elternteil haben. Diese Rolle könnte man mit einer Patenschaft vergleichen. „Damit würde man das Thema von der sexuellen Orientierung lösen. Und auch alleinstehende Adoptiveltern hätten die Möglichkeit, so eine zweite Person, etwa eine Schwester, als Bezugsperson für das Kind einzusetzen.“

„Nicht blind für Lebensformen“

Warum sie eine Adoption in solchen Fällen durch schwule oder lesbische Partner des Adoptivelternteils ablehnt? „Man konstruiert damit etwas, was die Bedeutung der Elternschaft, der Begriffe Vater und Mutter verändert“, sagt sie. Und spricht davon, dass Kinder wüssten, dass biologisch nur ein Mann und eine Frau ihre Eltern sein könnten.

„Ich bin nicht blind für heutige Lebensformen, aber man muss den Kernbegriff nicht entwerten. Und, man sollte die Diskussion weg von der homosexuellen Ebene bringen. Wie kommen wir aus diesem Dilemma heraus? Wir sollten auf Einzelfälle schauen, darauf, was die Probleme und Sorgen der einzelnen Personen sind, statt die Norm zu ändern.“ Und zumindest in einem Punkt ist sich Stephanie Merckens auch mit Befürwortern einer Adoption für Homosexuelle einig: „Wir sollten die Ideologie aus der Debatte heraushalten, nicht in Schwarz-Weiß denken und uns an den Bedürfnissen der Kinder orientieren.“

PERSON UND IDEE

Stephanie Merckens ist Juristin, Referentin für Bioethik und Lebensschutz des Instituts für Ehe und Familie der Bischofskonferenz und Mitglied der Bioethikkommission.

Sie schlägt als Alternative zur Adoption die Rolle einer „besonderen Bezugsperson“ für homosexuelle Partner von Adoptiv-Elternteilen vor. [ Kathbild.at/Rupprecht]

Pro: "Weg von Ideologie, hin zum Diskurs"

Wien. Für Barbara Schlachter ist die Sache klar: Homo- und heterosexuelle Paare müssen bei der Adoption gleichberechtigt sein. Auch, wenn es um fremde Kinder geht. „Wenn das gesellschaftlich ein noch zu großer Schritt ist, wäre ein erster Schritt die Sukzessivadoption.“ Noch ist das verboten, das heißt, hat ein Partner ein Kind adoptiert, hat der zweite rechtlich keine Möglichkeit, das ebenso zu tun. Zu Fällen von Einzeladoption kann es bei Auslandsadoptionen kommen, oder wenn ein Kind seine Eltern verliert. Nach der Stiefkindadoption für homosexuelle Paare, die in Österreich 2013 nach einem Spruch des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs (EGMR) erlaubt wurde, wäre das ein nächster Schritt gegen Diskriminierung.

Dem Vorschlag, als Alternative zur Adoption eine „bevorzugte Bezugsperson“ einzutragen, kann Schlachter wenig abgewinnen. „Warum sollte man eine eigene Rechtsform schaffen? Damit der Schein aufrechtbleibt? Das wäre nur ideologisch motiviert und fadenscheinig.“ Wie sie überhaupt fordert, die Ideologie aus der Debatte herauszunehmen.

„Man sollte sich hin zu einem rationalen Diskurs bewegen. Wenn man diverse Langzeitstudien betrachtet, lautet das Resultat immer: Den Kindern geht es gut. Löst man sich von Ideologien, kann der Schluss nur Gleichstellung sein.“

Schlachter schlägt für Österreich eine unabhängige Expertise, etwa durch den Berufsverband der Psychologen oder ähnliche Stellen, vor, um die Debatte zu versachlichen. Vor allem aber, um ein realistisches Bild von Regenbogenfamilien zu zeigen. Um einen Abbau von Distanz, Misstrauen und falschen Bildern von homosexuellen Paaren und ihren Familien geht es auch dem Verein Famos. „Es geht um ganz normale Familien. Die, wenn sie sich für ein Kind entscheiden, sehr bewusst an die Sache herangehen.“ Fehlen den Kindern Bezugspersonen des jeweils anderen Geschlechts ihrer Eltern? „Kinder brauchen männliche sowie weibliche Bezugspersonen. Aber das müssen nicht die Eltern sein. Homosexuelle Eltern sind meistens sehr darauf bedacht, dass ihre Kinder da nicht zu kurz kommen.“

Eine Gleichstellung sei keine Entwertung traditioneller Familienmodelle, sondern eine „Erweiterung“. Und eine Akzeptanz des Status quo: All diese Familienformen „sind längst Realität. Also sollte man diese Familie gleichwertig stellen. Es gibt ja dadurch nicht weniger Mann-Frau-Kind-Familien.“ Das Argument, Bedarf an adoptionswilligen Paaren gebe es ohnehin nicht, „kann keine Grundlage für Diskriminierung sein. Außerdem gibt es im Ausland genug Kinder, die Eltern brauchen.“

Schlachter wünscht sich eine Gleichstellung vor allem für die Kinder. „Spätestens in der Pubertät ist die Diskriminierung ihrer Familien für sie spürbar. Es wäre wichtig, um ihnen zu zeigen: Ihr seid völlig gleichwertig mit anderen Kindern.“ Für sie wäre vorerst die Öffnung der Sukzessivadoption ein erster Schritt zur Absicherung der Kinder. Aber auch bis zur gänzlichen Gleichstellung in Adoptionsfragen werde es „nicht mehr allzu lange“ dauern. Schließlich sind Verfahren dazu beim EGMR anhängig. Schlachter erwartet, dass wie bei der Stiefkindadoption Gerichte die Politik zum Handeln zwingen werden.

PERSON UND IDEE

Barbara Schlachter-Delgado ist Radioredakteurin und Obfrau des Vereins „Famos – Familien andersrum Österreich“. Sie schlägt als ersten Schritt gegen eine Diskriminierung vor, dass die Sukzessivadoption freigegeben wird, Homosexuelle also Adoptivkinder ihrer Partner ebenfalls adoptieren dürfen. [ Pamela Russmann]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.07.2014)

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