Die ökonomische Geheimwaffe der USA

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Der US-Dollar ist seit Jahrzehnten die wichtigste Währung der Welt. Das bringt den Amerikanern riesige Vorteile. So können sie ungestraft über ihre Verhältnisse leben und sogar Inflation ins Ausland exportieren.

Der US-Dollar ist die globale Leitwährung. Während man beim Zücken eines Euroscheins in Ostasien, Lateinamerika oder Afrika mitunter noch ein fragendes Gesicht beim lokalen Gegenüber verursachen kann, wird der „Greenback“ auch am entlegensten Straßenmarkt widerspruchslos akzeptiert. Aber es ist bei Weitem nicht nur diese Vereinfachung bei Auslandsreisen für amerikanische Touristen und Geschäftsleute oder die damit verbundene Ersparnis von Wechselspesen, die den Dollar zu einer ökonomischen Geheimwaffe machen. Es ist vielmehr das exorbitante Privileg, das der Status als globale Reservewährung für die US-Volkswirtschaft mit sich bringt.

Schon in den 1960er-Jahren wurde dieser Begriff vom damaligen französischen Finanzminister und späteren Präsidenten Valéry Giscard d'Estaing geprägt. Giscard d'Estaing bezeichnete damit eine Summe von Vorteilen, die die USA gegenüber anderen Nationen hatten und auch heute noch haben. Kernpunkt dieses Privilegs ist, dass die USA Waren, die anderswo produziert werden, immer mit ihrer eigenen Währung bezahlen können. Sie können also – vereinfacht gesagt – Papier gegen echte Werte tauschen.

Defizit? Who cares. Während andere Länder im internationalen Handel, etwa wenn es um den Einkauf von Öl oder Gas geht, ihre lokalen Währungen zuvor in Dollar tauschen müssen, können die USA gleich direkt bezahlen. Sie können somit nie in die Verlegenheit geraten, dass ihre Zentralbank über zu wenig Devisenreserven verfügt, um die internationalen Zahlungsverpflichtungen des Landes zu erfüllen. Eine Situation, die vor allem kleinere Länder schon oft in einen wirtschaftlichen Strudel nach unten gerissen hat.

Aber nicht nur das: Die USA können auch einfach frische Dollar drucken, um mehr Waren zu kaufen, als sie sich eigentlich leisten könnten – und so über ihre Verhältnisse leben. Vor allem seit der Mitte der 1990er-Jahre wird dieses Modell in Washington rigoros angewandt, was sich bis zum Ausbruch der Finanzkrise 2008 in einem stetig steigenden Leistungsbilanzdefizit zeigte (siehe Grafik). Seither wurde das Defizit zwar etwas verringert, es ist aber immer noch höher als das Defizit aller anderen Länder mit einer negativen Leistungsbilanz zusammen.

Normalerweise führt ein dauerhaftes Leistungsbilanzdefizit zu volkswirtschaftlichen Problemen, weil die Devisenreserven zu Ende gehen und die lokale Währung massiv abwertet, da sie von der Notenbank wie wild gedruckt wird und in der Folge die globale Nachfrage nach dieser Währung sinkt oder sogar gegen null geht. Dies ist beim US-Dollar jedoch nicht der Fall. So druckte und druckt die US-Notenbank zwar ebenfalls Dollar auf Teufel komm raus, um das chronische Leistungsbilanzdefizit zu finanzieren. Da der US-Dollar aber die globale Reservewährung ist, gibt es immer genügend Nachfrage danach.

Hinzu kommt die Sonderrolle Chinas. China will die eigene Währung, den Yuan, künstlich niedrig halten, um die Exportwirtschaft nicht zu gefährden. Kaufen die USA nun chinesische Waren mit frisch gedrucktem Geld, würde dies den Yuan gegenüber dem Dollar an Wert steigen lassen. Um das zu verhindern, druckt China ebenfalls, um die neuen Dollar zu kaufen und als Währungsreserve zu bunkern. Die Inflation (Aufblähung der Geldmenge) aus den USA wird so nach China exportiert. Für die einfachen Chinesen bedeutet diese Politik, dass sie sich unter dem Strich weniger leisten können, als sie eigentlich erwirtschaftet haben.


Zinsvorteile. Weit über 500 Milliarden Dollar an echten Banknoten sind laut Zahlen des US-Ökonomen Barry Eichengreen von der University of California in Berkeley demnach bereits außerhalb der USA im Umlauf. Bei den 100-Dollar-Noten sollen sich sogar drei Viertel davon im Ausland befinden. Diese Cash-Bestände sind für die Halter besonders nachteilig, da sie nicht einmal Zinsen abwerfen. Aber auch bei jenen Dollarbeständen, die in Form von US-Staatsanleihen gehalten werden, erzielen die Inhaber deutlich geringere Zinsen, als die USA selbst für ihre Investments im Ausland bekommen. Dadurch gelingt den Amerikanern, obwohl sie der mit Abstand größte Schuldner der Welt sind, eine nahezu ausgeglichene Einkommensbilanz (Vergleich zwischen gezahlten und erhaltenen Zinsen und Dividenden).

Und kommt es doch einmal zu einer Abwertung des Dollar, sind die Amerikaner selbst davon kaum betroffen, da sie ihre Auslandsguthaben in Dollar rechnen, ihre Gläubiger die Verbindlichkeiten jedoch nicht. So schätzt Eichengreen, dass die USA allein durch ihre achtprozentige Abwertung im Jahr 2007 rund zwei Drittel des damaligen Leistungsbilanzdefizits von 660 Milliarden Dollar de facto tilgen konnten. Dieses Phänomen brachte schon John Conally, Finanzminister unter US-Präsident Richard Nixon, einst auf den Punkt: „Es ist unsere Währung, aber es ist euer Problem.“

Das Risiko. Bisher brachte das „exorbitante Privileg“ des Dollar den Amerikanern nur Vorteile. Sie konnten mehr verbrauchen, als sie selbst erarbeiteten, und einen Teil dieser Rechnung in Form von Abwertungen ihren Gläubigern umhängen. Nur dies ermöglicht es laut manchen Ökonomen den USA auch, ihren Militärkomplex weiterhin zu finanzieren, der wiederum einst der Grund für den Erwerb der globalen Vormachtstellung war.

Allerdings schwebt zunehmend ein Damoklesschwert über Washington. Was passiert, wenn der Dollar seine alleinige Vormachtstellung als Weltreservewährung verlieren würde? Wenn die globale Nachfrage nach frischen „Greenbucks“ sinken würde und andere Länder den Export von Inflation nicht mehr einfach so akzeptieren würden (siehe nebenstehenden Artikel)?

Entscheidend ist hierbei vor allem das Verhalten Chinas. So wollen die Chinesen zwar den Yuan zu einer Leitwährung ausbauen. Allerdings sitzen sie bereits auf fast vier Billionen Dollar an Reserven. Ein schockartiger Bedeutungsverlust des Dollar samt kräftiger Abwertung hätte somit auch für China gravierende Folgen – eine globale Krise wäre unausweichlich. Die Lösung dürfte also in einer behutsamen Anpassung liegen. Ein Plan, den auch US-Präsident Barack Obama verfolgt – etwa, indem die US-Exporte deutlich ausgebaut werden sollen.

Zahlen

500Milliarden Dollar an Bargeld kursieren außerhalb der USA. Bei den 100-Dollar-Noten sollen es sogar drei Viertel sein.

4Billionen Dollar
betragen die Währungsreserven der chinesischen Nationalbank bereits nahezu. Eine schockartige Abwertung des Dollar wäre für China daher ein riesiges Problem.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.07.2014)

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