Wo die Milch lang gezogen wird

Käserin Dina Iula
Käserin Dina IulaDie Presse
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Unweit des Wiener Ronachers hat eine kleine Mozzarella-Manufaktur eröffnet. Erst wenn im Restaurant Burrata oder Mozzarella bestellt werden, geht die Käserin ans Werk. Pasta Filata à la minute.

Mein Highlight bei den Urlauben in Süditalien war immer, in der Früh ganz frischen Mozzarella zu kaufen. Nachdem es von hier ein bisschen zu weit ist, um in der Früh hinzufahren, machen wir ihn jetzt eben selbst.“ Schöne Geschichte, die der Versicherungsmakler und Gastronom Marcus Geiger da erzählt, und weil sie so wohl nicht ganz stimmt, schießt er gleich einmal ein lautes Lachen hinterher. Nachdem für einen zufriedenstellenden Geschäftsgang die Kunst an den Wänden als Motivator nicht ganz ausreichte (und Geschäftspartner Antonio Lamberti aus dem Mozzarella-Land Kampanien kommt), hat Geiger seiner Pizzeria I Leoni eine Raumausstattung mit nicht unbeträchtlichem Neuigkeitswert verpasst: Ein Teil der Küche wurde zu einer kleinen Käserei, in der man nun fast täglich Mozzarella, Burrata, Caciocavallo und Ricotta frisch herstellt.

Über die Gasse verkaufen darf man noch nicht – Wien und seine Bestimmungen –, die Speisekarte des Ristorante I Leoni indes wurde unübersehbar rund um das Thema Brühkäse – Pasta Filata – konzipiert. Im Idealfall soll erst nach der Bestellung der entsprechende Käse gemacht werden. Bei Caciocavallo, einem härteren Käse in Barbapapa-Form, ist das natürlich nicht möglich, bei der Burrata sehr wohl. Gerade für diese apulische Spezialität ist absolute Frische das Um und Auf (siehe auch Text unten), die Mozzarella-Obers-Säckchen halten nur wenige Tage. „Ganz frischen Mozzarella kennt bei uns keiner. Jeder kennt das Produkt prinzipiell, aber keiner weiß, wie es gemacht wird und wie es schmeckt, wenn es ganz frisch ist.“

Die Käsereiausstattung mit den stählernen Kesseln hat Marcus Geiger in Süditalien gekauft. Die Käserin Dina Iula ist Italienerin (und spricht bisher nur Italienisch). Die Milch aber, die kommt aus dem Waldviertel, aus der Molkerei von Gerhard und Elfriede Wagner in Bad Traunstein. Alle zwei Tage werden etwa 200 Liter geliefert, Milch mit einem hohen Fettgehalt von rund fünf Prozent, einem futterbedingten hohen Anteil an ungesättigten Fettsäuren, pasteurisiert, aber nicht homogenisiert. „Die Suche nach der richtigen Milch war gar nicht so einfach. Die Biobauern rund um Wien beliefern alle die Eissalons. Im Winter wären sie froh über die Aufträge, aber wir brauchen ja jetzt auch Milch.“

Einfacher war die Suche nach dem Käsepersonal. Nach Salvatore Iula, jenem Käser, der hier die ersten Monate nach dem Rechten schaute, ist nun Dina Iula für die Mozzarellaproduktion zuständig. Die beiden stammen übrigens aus derselben Gegend, sind aber nicht verwandt. Dass in seinem Ristorante eine Käserin am Werk ist, betont Marcus Geiger nicht ohne Stolz. „In Italien sind Käserinnen selten, in Salerno dürfen Frauen höchstens Mozzarella einpacken.“ Dina Iula, komplett in Weiß gekleidet, aber mit neonpinkfarbenen Plastikschlapfen, war zuvor schon als Köchin im Unternehmen. Sie stammt aus einem Dorf bei Salerno in Kampanien, der Geburtsstätte von Mozzarella. „Wenn man von dort kommt, hat man Mozzarella im Blut“, meint Gastronom Marcus Geiger. Alle paar Monate soll ein neuer Gastkäser aus Kampanien nach Wien kommen, um neue Ideen und Tricks einzubringen. Von Salvatore Iula stammt etwa die Trüffelburrata.


Werdegang der Cagliatura. Für den Käse in der neuen Wiener Mozzarella-Manufaktur wird Lab aus Kälbermägen verwendet. „Wir hatten darüber schon hausinterne Diskussionen, schließlich haben manche Vegetarier damit Probleme, und es gibt ja schließlich auch pflanzliches Lab.“ Man bleibt aber vorerst beim tierischen. Die Milch wird auf 35 Grad erhitzt, dann kommen Lab und je nach gewünschtem Endprodukt Milchsäurebakterien dazu. Nun wird der Säuregehalt der Milch kontrolliert. „Für weichen Mozzarella braucht es einen PH-Wert von 6,5“, lässt Dina Iula übersetzen, „für Caciocavallo einen höheren, sieben.“ Innerhalb einer halben Stunde bildet sich nun im Kessel der Käsebruch, die Cagliatura. „Zuerst hat die Masse eine Konsistenz wie Joghurt, dann wie Pannacotta“, sagt Dina Iula. Mit einem großen Schneebesen rührt sie nach etwa einer halben Stunde Bruchbildung vorsichtig um, Flocken in Murmelgröße entstehen. Aus der entstandenen Molke wird später in kleinen Formen Ricotta gemacht, der ebenfalls hier im Restaurant serviert wird.

Den abgetropften Käsebruch verknetet die kampanische Käserin mit Salz, dann gießt sie die Masse mit Wasser auf, das annähernd 90 Grad hat. Der Käsebruch schmilzt nun, wird ein typisch elastischer Teig – und nennt sich dergestalt Filatura. Mozzarella in progress, quasi. Die Käserin kontrolliert immer wieder die Konsistenz, zieht die Masse in üppigen Fäden aus dem Topf. Für Mozzarella wird die Filatura nun behutsam lang gezogen und der Strang entweder kunstfertig zu einem Zopf geschlungen oder zu Kugeln gerissen. „,Mozzare‘ bedeutet nämlich genau das“, sagt Dina Iula und reißt mit einem beherzten „Ratsch!“ ein Stück vom schneeweißen Strang ab, das sich sofort rundet. „Das Abreißen, das Kappen.“ Sie zeigt ihre geröteten Handflächen: „Calda!“ Die Brühkäsemasse ist – kein Wunder – heiß.

Für die Burrata, die heiklen gefüllten Säckchen aus Mozzarellateig, die hier à la minute gefertigt werden, formt Dina Iula kleine Fladen. Die Stracciatella, die Füllung aus gerissener Mozzarellamasse und Obers, ist schon vorbereitet und wird vorsichtig daraufgebettet, das Ganze mit behutsamen Handgriffen zu Säckchen geformt. Man sieht: Das braucht Übung.


Verschiedene Formen. Neben diesen beiden Pasta-Filata-Spezialitäten entstehen in der Wiener Mozzarella-Manufaktur auch Scamorza, Provola und Caciocavallo. Für den Herbst plant man auch Käse aus Büffelmilch, hat aber noch keinen Lieferanten.

„Vielleicht sind wir aber bald so weit, mit Milch aus der Gegend von Udine“, sagt Geiger. Im Ristorante ILeoni kann man den frisch hergestellten Käse in verschiedenen Formen bestellen: auf Pizza, als gegrillte Scheiben mit Steinpilzen, als Cannelloni-Füllung oder pur. Etwa einen Ein-Kilo-Mozzarella für vier Personen. Im Kindskopfformat.

Mozzarella

In der Mozzarella Factory fertigt man Pasta Filata, Brühkäsespezialitäten, nach Bestellung. Eine Käserin aus Kampanien ist fix im Team, immer wieder sollen Gastkäser aus der Gegend von Salerno nach Wien kommen. Für den Herbst ist auch Mozzarella aus Büffelmilch geplant. Vorerst kann man den Käse nur im Restaurant bestellen.

I Leoni, Seilerstätte 10, 1010 Wien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.07.2014)

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