Wegen heftiger Gefechte verlassen immer mehr Libyer die Hauptstadt Tripolis. Helfer versuchten, den Großbrand in einem Öldepot unter Kontrolle zu bringen.
Tripolis/Wien. Nach den ausländischen Diplomaten verlassen nun auch tausende Einheimische das Krisenland Libyen. Wegen der eskalierenden Kämpfe verfeindeter Milizen in der Hauptstadt Tripolis überquerten nach Angaben der tunesischen Nachrichtenagentur TAP vom Dienstag allein am Vortag 6000 Menschen die Grenze. Tunesische Medien zogen Vergleiche zur Massenflucht der Libyer während des bewaffneten Aufstands gegen Langzeitherrscher Muammar al-Gaddafi im Jahr 2011. Dem Innenministerium in Tunis zufolge leben derzeit 1,5 Millionen Libyer in dem Land mit etwa zehn Millionen Einwohnern – die meisten kamen vor drei Jahren.
Bei den seit mehr als zwei Wochen andauernden Gefechten in Tripolis schlugen am Montag auch Raketen in einem Depot des Öl- und Gasunternehmens Brega ein. Dabei brach ein Großbrand aus, der auch am Dienstag zunächst nicht gelöscht werden konnte. Anrainer innerhalb eines Radius von fünf Kilometern wurden aufgefordert, ihre Häuser zu verlassen. Insgesamt sollen in der Anlage 90 Millionen Liter Benzin gelagert sein.
Die libysche Übergangsregierung hat mittlerweile Hilfe aus Italien bekommen, um den Brand zu bekämpfen. Die Regierung teilte auf ihrer Internetseite mit, dass in Zusammenarbeit mit der italienischen Regierung und dem italienischen Ölkonzern Eni sieben Löschflugzeuge eingesetzt wurden, um die Feuerwehr an Ort und Stelle zu unterstützen. Zugleich wurden in der Umgebung kämpfende Milizen aufgefordert, ihre Schusswechsel sofort einzustellen.
Rivalisierende Städte
An den Gefechten sind vor allem Milizen aus den rivalisierenden Städten Zintan und Misrata beteiligt. Sie kämpfen zum Ärger der Einwohner von Tripolis um die Vormachtstellung in der Hauptstadt und damit auch im Westen Libyens. An der Seite der Milizen der Stadt Misrata, einer Hochburg der libyschen Muslimbruderschaft, ist auch ein Bündnis eher islamistisch ausgerichteter Gruppen aus Tripolis in die Schlacht gezogen. Sie haben vor allem auch noch offene Rechnungen mit den Zintan-Milizen zu begleichen, die seit dem Sturz von Machthaber Gaddafi im Sommer 2011 den Flughafen von Tripolis kontrollieren. Die Milizen aus Misrata und Tripolis versuchen seit Mitte Juli, den Flughafen zu erobern, bisher jedoch vergeblich.
Wegen der Kämpfe hat eine Reihe von Botschaften ihr Personal abgezogen. Begonnen hatte es mit der Evakuierung der US-Botschaft in der Nacht auf Samstag. Österreich und viele andere Länder folgten diesem Beispiel. Frankreich bereitete die Ausreise der weniger als 100 Franzosen aus Libyen vor. Sie sollten mit einem Schiff Tripolis verlassen.
Auch die Niederlande haben ihre Botschaft in Libyen geschlossen. Die fünf Mitarbeiter seien in die Niederlande zurückgerufen worden, teilte das Außenministerium am Dienstag mit. Sobald die Sicherheitslage es zulasse, sollten sie zurückkehren. (APA/DPA/red.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.07.2014)