Sonnentor-Chef: „Bin froh, dass ich überstimmt wurde“

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Sonnentor-Chef Johannes Gutmann lässt seine Angestellten auch bei strategischen Firmenentscheidungen mitbestimmen. Ein Vetorecht behält er sich dabei aber trotzdem vor.

Wien. Wenn es in Unternehmen um strategische Entscheidungen geht, werden die Mitarbeiter in der Regel nicht einbezogen. Die Entscheidungen werden meist allein von der Geschäftsführung getroffen. Auch aus gutem Grund: Schließlich ist es der Geschäftsführer, der haftet, wenn Eigentümer oder Gläubiger durch falsche Entscheidungen geschädigt werden.

Das ist auch Johannes Gutmann, dem Gründer und Chef der Sonnentor Kräuterhandels GmbH, bewusst. Er vertreibt Biokräuter und Tees, die von lokalen Bauern hergestellt werden, und beschäftigt 225 Mitarbeiter in zwölf Abteilungen. Gutmann hat sich der „Gemeinwohlökonomie“ verschrieben, die von Globalisierungskritikern um Christian Felber entwickelt wurde. Eine Säule davon ist „Mitbestimmung und Transparenz“. Das bedeutet für Gutmann auch, die Mitarbeiter in strategische Entscheidungen einzubeziehen. Freilich nicht unbegrenzt: „Wenn etwas passiert, muss ich in den Häf'n und nicht die anderen“, sagt der Biopionier. Zudem sei auch er derjenige, der alles bezahle und mit seinem Namen bürge.

Mitarbeiter überstimmten ihn

Deswegen behält er sich grundsätzlich ein Vetorecht bei den Entscheidungen vor, die seine zwölf Abteilungsleiter mit ihm gemeinsam bei den monatlichen Fokusrunden treffen. Davon Gebrauch gemacht hat er nach eigenen Angaben noch nicht.

Überstimmt wurde er hingegen bereits, etwa als es um die Frage ging, ob Sonnentor auch für fremde Marken produzieren soll. Das war bereits zwei Jahre lang passiert, als die Abteilungsleiter fanden, dass das doch keine so gute Idee sei, weil zu großer Druck auf das Unternehmen ausgeübt werde. Die Abstimmung ging acht zu fünf gegen die Produktion für fremde Marken aus. Gutmann war einer der fünf Befürworter. „Diese Entscheidung war für mich nicht schwerwiegend genug, um ein Veto einzulegen.“ Im Nachhinein ist Gutmann froh, dass seine Leute ihn überstimmt haben, meint er. Auch habe er schon häufig im Zuge der Diskussion neue Sichtweisen bekommen, die ihn über den Tellerrand hinausblicken ließen.

Veto gegen zu große Expansion

Grundsätzlich kann sich der Biopionier jedoch Szenarien vorstellen, in denen er Einspruch einlegen würde: „Ein Veto von mir würde es geben, wenn etwa ein zu großer Expansionsschritt beschlossen würde, über den ich mich nicht drübertraue.“ Oder wenn die Mitarbeiter einen zu umfangreichen Kredit aufnehmen wollten.

Warum es in den meisten Betrieben nicht üblich sei, Mitarbeitern bei strategischen Entscheidungen ein Mitspracherecht einzuräumen, dafür hat Gutmann eine Erklärung: „Manager glauben oft, sie sind die Schlauesten.“ Um Rat zu fragen, werde oft als Zeichen der Schwäche gesehen.

Er selbst habe sich derlei Eigensinn nicht leisten können, als er 1988 als Ein-Mann-Betrieb begann, auf dem Bauernmarkt seine Kräuterprodukte zu verkaufen. Mangels Erfahrung habe er immer die anderen gefragt, sagt er. Etwa die Kunden. Und später die Mitarbeiter. „Ich kann das nur jeder Firma empfehlen“, sagt Gutmann.
Viele Firmenchefs würden ihre Leute nicht einmal fragen, kritisiert der Sonnentor-Chef. Wenn sie Hilfe suchten, zögen sie lieber externe Berater hinzu, statt jene zu konsultieren, die täglich mit dem Geschäft zu tun haben und es daher am besten verstehen müssten. Eben die Mitarbeiter.

Auf einen Blick

Johannes Gutmann (* 1965) stammt aus dem Waldviertel und hat die Firma Sonnentor im Jahr 1988 gegründet. Das Unternehmen hat sich auf die Vermarktung biologischer Kräuter spezialisiert, die auch zu Tees weiterverarbeitet werden. Sonnentor wird mittlerweile von rund 150 Bauern beliefert, Gutmann beschäftigt 225 Mitarbeiter. Das Unternehmen exportiert in über 50 Länder, der Umsatzanteil Österreichs liegt bei 30 Prozent.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.07.2014)

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