Neue Außenpolitik: Peking will im Nahen Osten mitmischen

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Peking hat einen eigenen Vermittler in den Nahen Osten geschickt. China ist nach den USA der zweitgrößte Handelspartner Israels und zunehmend vom Erdöl der Region abhängig. Mit den wachsenden wirtschaftlichen Interessen beginnt sich auch Chinas Politik zu ändern.

Peking. Über die Vermittlungsbemühungen von US-Außenminister John Kerry in Nahost ist viel berichtet worden. Weitgehend unbeachtet geblieben ist hingegen, dass auch Chinas Regierung sehr aktiv um eine Beilegung der Kämpfe zwischen Hamas und Isaelis bemüht ist. Am vergangenen Wochenende ist Chinas Spitzendiplomat Wu Sike von einer mehrtägigen Nahost-Reise nach Peking zurückgekehrt. Neben Saudiarabien, Katar, Jordanien und Ägypten stattete er auch Israel und Palästina einen Besuch ab.

Nach seiner Rückkehr gab er vor Journalisten unmissverständlich zu verstehen, dass sich China verstärkt um eine Beilegung des Nahost-Konflikts bemühen wolle. Die diplomatischen Bemühungen liefen auf Hochtouren.
Wu ist erst seit Kurzem Chinas Sonderbeauftragter für den Nahen Osten. Bezeichnend daran ist, dass es in Peking neuerdings überhaupt einen solchen Posten gibt. Denn offiziell klammert sich Chinas Führung auch weiterhin an die Anfang der 1980er-Jahre von Chinas damaligem Machthaber Deng Xiaoping ausgegebene Doktrin der Nichteinmischung. Diese besagt, dass die Volksrepublik nur Handel mit anderen Ländern betreibe, sich aber sonst nicht in deren Angelegenheiten einmische. An dieser Außenpolitik hat Peking mehr als 30 Jahre festgehalten.
Doch seit Xi Jinping vor anderthalb Jahren die Führung übernommen hat, weht der Wind zunehmend aus einer anderen Richtung. Peking hat festgestellt, dass sich die massiv gewachsenen wirtschaftlichen Interessen nicht ohne Weiteres von der Politik trennen lassen.

Gewaltige Evakuierungsaktion

Im Libyen-Konflikt vor drei Jahren hatte Peking diese bittere Erfahrung bereits machen müssen. In gewohnter Manier lehnte China im UN-Sicherheitsrat jegliche militärische Intervention gegen Diktator Muammar al-Gaddafi ab. Als der Bürgerkrieg aber eskalierte, musste Peking mehr als 30.000 chinesische Geschäftsleute und Arbeiter ausfliegen lassen. Kein anderes Land hatte so viele Staatsbürger in Libyen wie China.

Auch jetzt, beim Konflikt zwischen Israel und der Hamas, könnten chinesische Interessen getroffen werden. China ist seit vergangenem Jahr gleich hinter den USA der zweitgrößte Handelspartner der Hightech-Nation Israel. Der Handel überstieg mehr als 200 Milliarden Dollar. Israel liefert den Chinesen Waffen, Elektrokomponenten und jede Menge fachliches Wissen etwa in der Agrartechnologie. Zudem erhofft sich Peking den Zuschlag für den Ausbau des israelischen Eisenbahnsystems. Für Israelis wiederum hat sich China zu einem der beliebtesten Reiseländer entwickelt. Die Chinesen kennen keinen Antisemitismus.

Zugleich ist das energiehungrige China zunehmend abhängig vom Erdöl im Nahen und Mittleren Osten. China hatte nach dem Einmarsch der US-Truppen in den Irak die Chance genutzt und sich zahlreiche Ölquellen gesichert. Doch US-Präsident Obama ist dabei, seine Truppen abzuziehen. Schon jetzt entsteht in der Region ein Machtvakuum, das die Chinesen bisher nicht zu füllen bereit waren. Ihre Erdöllieferungen sind nun aber gefährdet. Peking sieht sich gezwungen, jetzt auch selbst politisch aktiv zu werden.

Ob China konkret im Nahost-Konflikt erfolgreich sein wird? Unter Experten überwiegt die Skepsis. „Der Konflikt ist so festgefahren, dass eine Lösung durch chinesische Vermittlung gegenwärtig unrealistisch erscheint“, sagt Moritz Rudolf vom Berliner China-Forschungsinstitut Merics. Doch es gebe einen Vorteil, so der Wissenschaftler. Die Erwartungen seien gering. „Selbst die kleinste Annäherung wäre ein großer Erfolg der neuen chinesischen Außenpolitik.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.07.2014)

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