Gegen Spekulanten: „Stadt schöpft nicht alles aus“

AUFR�UMARBEITEN NACH POLIZEILICHER R�UMUNG DER ´PIZZERIA ANARCHIA´
AUFR�UMARBEITEN NACH POLIZEILICHER R�UMUNG DER ´PIZZERIA ANARCHIA´(c) APA/HERBERT NEUBAUER (HERBERT NEUBAUER)
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Grüne fordern vom Magistrat mehr Härte gegen Immobilienspekulanten, die Altmieter mit unseriösen Methoden vertreiben. Als Beispiel wurde die Immobilie einer Firma genannt, dessen Chef bei der Grünen Wirtschaft war.

Wien. Die Stadt schöpfe nicht alle Möglichkeiten aus, um gegen Immobilienspekulanten vorzugehen. Diese Kritik äußerte der grüne Planungssprecher Christoph Chorherr am Donnerstag. Die zuständigen Magistratsabteilungen müssten härter gegen Spekulanten durchgreifen, die Altmieter aus ihren Häusern ekeln wollten, so Chorherr anlässlich der Vorgänge rund um die „Pizzeria Anarchia“. Denn das sei kein Einzelfall.

Konkret fordert Chorherr, dass Wien die Anträge bei der zuständigen Schlichtungsstelle selbst stellt, wenn ein Besitzer sein Haus verfallen lässt, um damit seine Mieter aus den Wohnungen zu bekommen. Damit würde die Stadt nicht nur Präsenz gegenüber Spekulanten zeigen, sie könnte auch die Immobilien unter Zwangsverwaltung stellen, die notwendigen Sanierungen durchführen lassen und dem Hauseigentümer in Rechnung stellen. „Die Gemeinde hat ein ziemliches Repertoire, das sie bisher noch nicht genutzt hat“, so Chorherr. Wohnbaustadtrat Michael Ludwig konterte: Die Forderungen von Chorherr seien bereits umgesetzt – außer jene, die unrealistisch sind (Stichwort: Zwangsverwaltung). Man müsse sich schließlich an den Rechtsstaat halten.

Ex-Grüner als Spekulant

Zur Präsentation seiner Initiative gegen Spekulanten wählte Chorherr jedenfalls einen Ort nahe der Adresse Bauernmarkt1 im ersten Bezirk – eine Adresse, die bereits mehrfach in diesem Zusammenhang in den Medien war. Dieses Haus gehört der Immobilienfirma Lenikus, die in vergangenen Jahren oft einschlägig im Visier der Stadt stand – nachdem Mieter (nach dem Eigentümerwechsel) sich oft an die Stadt gewandt hatten, mit dem Vorwurf: Der neue Eigentümer wolle sie mit unschönen Methoden loswerden, um das Haus abzureißen, einen Neubau zu errichten und danach deutlich höhere Mieten zu verlangen. Was seitens Lenikus immer bestritten wurde. Die Stadt führte jedenfalls zahlreiche einschlägige Gerichtsverfahren mit dieser Immobilienfirma, der Prozess betreffend der Adresse Bauernmarkt 1 läuft noch. Wobei Firmenchef Martin Lenikus eine kontroversielle Persönlichkeit ist.

Früher hatte Lenikus den Ruf eines unangenehmen Immobilienspekulanten. Es gab zahlreiche Beschwerden von Mietern inklusive Prozesse. Im Laufe der Zeit verlagerte er seinen Fokus überraschend: Er redete von Nachhaltigkeit, war jahrelang Mitglied der Grünen Wirtschaft, engagierte sich bei Hotelprojekten, kaufte riesige Weingärten, betätigte sich als Winzer. Er förderte junge Künstler, stellte ihnen Gratis-Ateliers in ungenutzten Wohnungen zur Verfügung, zeigte eine soziale Ader, indem er der Flüchtlingshelferin Ute Bock Wohnungen in seinen Häusern zur Verfügung stellte. Eine Wandlung vom Saulus zum Paulus?

Was dagegen spricht: Die massiven Spekulationsvorwürfe und Prozesse bei seinen verbliebenen Immobilien reißen bis heute nicht ab. Und hinter dem sozialen Engagement für Ute Bock vermuten manche, er wolle Flüchtlinge in alte Häuser bringen, um dadurch die Altmieter zu vertreiben. Was Lenikus zurückgewiesen hat. (red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.08.2014)

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