Die Rettung des asiatischen Porzellans

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Schloss Schönbrunn. Die Porzellane aus den chinesischen Kabinetten wurden in ihrer Restaurierungsgeschichte oft schwer beschädigt. Konservierungswissenschaftler erarbeiten ein Restaurierungskonzept für die wertvollen Kulturschätze.

Drei Glücksknaben liegen lächelnd auf einem weißen Tuch. Daneben: eine Vielzahl an Vasen, Bechern und eine chinesische Reiterfigur aus dem 18. Jahrhundert. Sie alle sind aus Porzellan gemacht und haben eines gemeinsam: In ihren Boden bohrt sich eine Schraube, die ursprünglich feinen Muster an ihrer Oberfläche wurden grob übermalt.

Sogar für Laien wirkt das grausam. Denn Versuche, die wertvolle Sammlung aus den chinesischen Kabinetten in Schloss Schönbrunn zu erhalten, endeten für die Objekte oft unglücklich: Risse im Porzellan und völlig verfälschte Bemalungen zeugen davon. Speziell als die Räume in der Nachkriegszeit ab 1948 wieder in Stand gesetzt wurden, wurden Restaurierungen besonders plump ausgeführt.

Seit dem Vorjahr sind die Porzellan-Exponate aus dem 17. bis 19. Jahrhundert nun in der Hand der Konservierungswissenschaftlerin Gabriela Krist und ihrem Team an der Universität für Angewandte Kunst in Wien: Krist leitet am Institut für Konservierung und Restaurierung das FWF-Projekt Ostasiatische Raumausstattungen in Schloss Schönbrunn. Die Wissenschaftler erforschen drei Jahre lang Herkunft, Material und Herstellungstechnik der Porzellane und erarbeiten ein umfassendes Konservierungs- und Restaurierungskonzept für die Kunstwerke.

Talent der Kunstkitter

Dabei gilt es, die Originale möglichst unverfälscht zu erhalten. Vieles von dem, wie früher restauriert wurde, wäre heute völlig unzureichend. Vieles war aber auch technisch noch nicht möglich. Man blieb in der Gestaltung von Motiven und Menschen ungenau. 45 Exponate wurden großflächig mit Kunstharz übermalt – ein musealer Alptraum. „Die Restaurierung von Keramik und Porzellan war lange kein akademisches Fach, die Reparatur blieb dem Talent und Können des Kunstkitters überlassen“, sagt Gabriela Krist.

Ihr Institut ist spezialisiert auf die Restaurierung von Gemälden, Textilien, Denkmälern und Objekten aus verschiedensten Materialien: Das Spektrum reicht von Metall, Email, Keramik oder Glas bis zu synthetischen Materialien des 20. Jahrhunderts. „Von der antiken Figurengruppe bis zur zeitgenössischen Videoinstallation – alle Kunstwerke altern“, so Krist. Um die Exponate aus dem Schloss Schönbrunn bestmöglich zu erhalten, sind viele Disziplinen gefragt. Die Konservierungswissenschaftler des Instituts arbeiten nicht nur eng mit Historikern und Kunsthistorikern, sondern auch mit Chemikern und Physikern zusammen. Naturwissenschaftliche Methoden helfen, mehr über die Materialien zu erfahren und sie besser einordnen zu können. Auch ein japanischer Lackexperte des National Research Institute of Cultural Properties in Tokyo ist Partner im Projekt.

Ergänzend nutzen die Wissenschaftler bildgebende Verfahren: Eine Röntgenaufnahme zeigt das Innenleben eines Kunstwerks, macht durch frühere Maßnahmen Überdecktes sichtbar. Ultraviolettes Licht hilft oberflächennahe Schichten besser zu beurteilen. Und mit infraroter Strahlung lassen sich Zeichnungen in unteren Schichten oder Korrekturen an Konturen erkennen. Vorgesehen sind auch Untersuchungen mit einem Rasterelektronenmikroskop, vor allem zur Bestimmung der Materialkomposition.

„Wir wollen die Geschichte eines Objekts, seines Materials und seiner Herstellung begreifen, bevor die Restaurierung beginnt“, so Krist. In Schloss Schönbrunn passiert das freilich in enger Abstimmung mit dem Bundesdenkmalamt, denn die in ihrer Restaurierungsgeschichte teilweise schwer beschädigten Kunstschätze sind Teil des Unesco-Weltkulturerbes. Eine weitere Herausforderung für das Restaurierungskonzept: „Schönbrunn ist nicht vibrationsfrei.“ Das Schloss liegt zwischen zwei großen Straßen. Aber nicht nur der Verkehr ist spürbar, sondern auch die Touristen erzeugen Erschütterungen – das untersuchte man in Zusammenarbeit mit Experten des Österreichischen Forschungsinstituts für Chemie und Technik (OFI).

Fahndung nach Objekten

Auch Studierende arbeiten im FWF-Projekt in der Forschung mit. Franziska Kleinschmidt hat sich etwa für ihre Abschlussarbeit mit der Restauriergeschichte und der historischen Restaurierpraxis befasst. Elf Porzellane hat sie dazu genauer untersucht und an einer blau-weißen Vase ihr Konzept der Restaurierung nach heutigen Standards umgesetzt.

Die Kunsthistorikerin und Konservierungswissenschaftlerin Birgit Müllauer identifizierte für ihre Dissertation unterschiedliche historische Konzepte zur Montage der Porzellane, die auf Konsolen an der Wand ausgestellt wurden. Manche der Konsolen waren aber auch leer. In ihrer Arbeit geht sie daher auch auf die Suche nach dem Verbleib historischer Objekte. Mit einer „Fahndungsliste“ durchkämmt sie Wiener Museen und Sammlungen.

Aber auch international sind die Forscher unterwegs und tauschen sich mit anderen Experten aus. Ob der chinesische Pavillon des Schlosses Drottningholm in Stockholm, die Lackkabinette des ungarischen Schlosses Fertöd oder die Restaurierung eines von Schönbrunn inspirierten Raum-Ensembles aus dem 18. Jahrhundert in Newport, USA: „Die grundsätzlichen Fragen gleichen sich“, sagt Krist.

Am Ende des Projekts soll jedenfalls ein umfassendes Konzept stehen, wie die Kunstwerke künftig konserviert und das bedeutendende Ensemble wieder als Raumdekoration auf den Konsolen montiert werden kann.

LEXIKON

Konservierung und Restaurierungbefassen sich damit, wie Kunst- und Kulturgüter erhalten werden können, die durch ihren kulturhistorischen, künstlerischen und wissenschaftlichen Wert einzigartig sind.

Im FWF-Projekt „Ostasiatische Raumausstattungen in Schloss Schönbrunn“ erforschen Wiener Wissenschaftler drei Jahre lang Herkunft, Material und Herstellungstechnik der Porzellane.

Am Institut für Konservierung und Restaurierung der Universität für angewandte Kunst erarbeiten sie ein umfassendes Konzept für die wertvollen Kulturschätze.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.08.2014)

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