Einwohner erzeugen Strom

(c) Susanne Lehrner
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Test. 43 Fotovoltaikanlagen und 36 Elektroautos: eine Herausforderung für das Stromnetz und zugleich ein optimales Testgebiet für Forscher.

Für Stromnetze bricht ein neues Zeitalter an. Bisher funktionierte das Verteilnetz für Strom nach einem einfachen Prinzip: Der Strom wurde von einem Kraftwerk hergestellt und bis zum Verbraucher transportiert. Der Strom floss also nur in eine Richtung. In Köstendorf ist das anders (siehe Grafik).

Hier gibt es viele Stromproduzenten – es sind die Dorfbewohner. Auf 43 der 90 Häuser wurden Fotovoltaikanlagen montiert. Die Bewohner produzieren damit eigenen Strom, verbrauchen diesen aber nicht allein – können sie gar nicht. Denn scheint am Nachmittag die Sonne und ist niemand zu Hause, so kann der Strom weder verbraucht noch gespeichert werden. In Köstendorf wird dieser Strom an andere Verbraucher, die zu dem Zeitpunkt Bedarf haben, weitergeleitet. Der Erzeuger erhält dafür Geld. Das Stromnetz wird dadurch bildhaft gesprochen von einer Einbahnstraße zum Gegenverkehrsbereich.

In Köstendorf kommt eine Herausforderung dazu: Im Ort gibt es 36 Elektroautos, die mit dem selbst erzeugten Strom geladen werden. Dadurch wird es noch schwieriger, mit dem stark schwankenden Angebot der zusätzlichen Erzeuger und der sich stets verändernden Nachfrage der Verbraucher umzugehen. Die Spannung sollte nämlich stabil bleiben.

Der Klima- und Energiefonds und das Infrastrukturministerium haben in das Projekt seit August 2008 700.000 Euro investiert. Die gesamte Smart-Grids-Modellregion, zu der noch andere Orte in Salzburg zählen, wurde mit 4,5 Millionen Euro gefördert.

Köstendorf als Testgebiet für Forscher

Das Projekt in Köstendorf ist auch für die Wissenschaftler interessant: Diese nutzen die Infrastruktur als Testgebiet. Die Einzeltechnologien – wie Fotovoltaik und E-Autos – existieren schon lang, nun kann das Zusammenspiel auch in der Praxis getestet werden. Es stellt sich etwa die Frage: Was tun, wenn alle Verbraucher ihr E-Auto zur selben Zeit laden wollen? Aus wirtschaftlicher Sicht sei es kaum sinnvoll, die Netze auf das Worst-Case-Szenario zu dimensionieren, erklärt Wolfgang Hribernik vom Austrian Institute of Technology (AIT). Was es braucht, seien koordinierte Ladevorgänge. Geladen soll werden, wenn selbst Strom erzeugt wird oder das Netz weniger belastet ist. Dazu werden intelligenten Messgeräte, die Smart Meter, eingesetzt.

Der nächste Ziel der Forscher steht fest: Der Strom soll künftig in den Häusern zwischengespeichert werden. So soll der Eigenbedarf zu einem höheren Anteil aus dem selbst gewonnen Strom gedeckt werden. (j.n.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.08.2014)

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