Rom ist ohne Gegenstrategie beim verlorenen Kampf um Touristen. Schulden bleiben hoch, Wirtschaft soll 2015 kräftig wachsen.
Rom. Italien bezeichnet sich selber gern als das „schönste Land der Welt”, als das mit den meisten Kunstschätzen und den meisten Unesco-prämierten Stätten des Weltkulturerbes. Doch der Tourismus läuft nicht wie gewünscht. Zwar ist in den letzten zwei Jahrzehnten die Zahl ausländischer Besucher von 26,7 auf 47,8 Millionen beachtlich gestiegen, vom globalen Boom des Reisewesens aber bekommt Italien gar nichts mit. Im Gegenteil: Sein Anteil am Welttourismus ist seit 1990 von 6,1 auf 4,4 Prozent gefallen.
Meer und Berge, Kunst und Kultur, berühmtes Essen, teure Mode, guter Wein – etwa 160 Milliarden Euro oder 10,3 Prozent haben Ferienreisende vergangenes Jahr zum italienischen Bruttoinlandsprodukt beigesteuert. Umgerechnet sind das 2,2 bis 2,6 Millionen Arbeitsplätze; jeder neunte, zehnte Italiener lebt also direkt oder indirekt von den Touristen. Allerdings tun die eigenen Landsleute immer weniger für diese Arbeitsplatzförderung. Von der Krise geplagt, haben sie vergangenes Jahr 3,9 Prozent weniger Geld für ihren Urlaub ausgegeben als 2012. Für 2014 erwartet Italien eine leichte Geschäftszunahme um 2,1 Prozent – bleibt aber erneut unter den Prognosen, die auf europäischer Ebene ein Wachstum von 2,9 Prozent vorhersagen.
Die Regierung versucht, mit finanziellen Anreizen die Hotellerie zu modernisieren, Reiseagenturen für Weltmarktanforderungen zu digitalisieren und mit dem Abbau von Bürokratie den Zusammenschluss örtlicher Tourismusinitiativen zu wettbewerbsfähigen Einheiten zu fördern. Aber das sind nur die kleineren Aufgaben für die Regierung von Matteo Renzi. Sie plagt sich mit einer abstrakten Parlamentsreform ab – was sie im Volk einiges an Vertrauen kostet. Denn gegen die brennenden, bürgernahen Probleme, die ungebremst steigende Jugendarbeitslosigkeit in erster Linie, das konjunkturelle Nullwachstum, die steigenden Steuern, tut Renzi nichts – jedenfalls nichts, was die geplagten Italiener als Erleichterung empfinden würden.
Und so bleibt der erhoffte Wachstumsschwung vorerst aus: Zwar hat die italienische Wirtschaft nach zwei Jahren Rezession die tiefe Krise überwunden, das Wachstum bleibt aber vorerst aus. Das von der Regierung prophezeite Wachstum von 0,8 Prozent in diesem Jahr musste Renzi jüngst nach unten revidieren. Erst im nächsten Jahr soll es wieder ein kräftiges BIP-Plus von 1,2 Prozent geben. Italien hat zudem nach Griechenland den zweithöchsten Schuldenstand in der EU: 135,2 Prozent des BIPs. (pk)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.08.2014)