Die Ampel: Rot-(Gelb)-Grün seit 100 Jahren

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AmpelClemens Fabry
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Die Ampel wird am Dienstag hundert Jahre alt. Die ersten Modelle in Wien wurden händisch betrieben, heute sind fast alle an einen Rechner angeschlossen und werden zentral gesteuert.

Rein äußerlich hat sie sich gut gehalten, die Jahrzehnte fast unverändert überstanden. Auf ihr Rot-Gelb-Grün hat man sich auf der ganzen Welt geeinigt. (Auch wenn sich freilich nicht jeder immer an das Rot hält.) Am kommenden Dienstag wird sie 100 Jahre alt: Am 5. August 1914 wurde die erste elektrische Ampel in den USA errichtet und sollte von Cleveland aus die Verkehrssteuerung weltweit revolutionieren. Wie viele Leben sie seither gerettet hat, lässt sich nicht ansatzweise abschätzen.

Wien musste bis 1926 warten, ehe die Stadt an der Opernkreuzung ihre erste Ampel bekam: Wie der Prototyp in Cleveland war sie nur mit Rot-Grün-Signalen ausgestattet, das Gelb kam erst später dazu. Gesteuert wurden die (wenigen) Ampelanlagen bis in die 1950er-Jahre von Hand: Ein Polizist – oder „Schutzmann“, wie man damals sagte – wechselte mit einer Handkurbel zwischen Rot und Grün.

Heute wird das Rot-Gelb-Grün nur noch in Ausnahmefällen händisch gesteuert: Der Großteil der Ampelanlagen ist an einen riesigen Verkehrsrechner angeschlossen, der sich in der Verkehrsleitzentrale der Wiener Polizei in der Rossauer Kaserne befindet. Die Technik, die hinter diesem ausgeklügelten System steckt, erschließt sich dem Laien nur ansatzweise, beeindruckend wirkt der große, abgedunkelte Raum trotzdem: Auf einer riesigen Multimediawand ist ein digitaler Stadtplan zu sehen, auf dem all jene Ampeln, die gerade ausgefallen sind oder gewartet werden, markiert sind: Ein roter Punkt bedeutet „Störung“ oder „Wartung“. Ein violetter Punkt heißt, dass eine Ampelanlage etwa wegen einer Baustelle aus dem System genommen wurde. Ein paar rote Punkte leuchten an diesem Tag in der Leopoldstadt, drei violette im 12. Bezirk: Wegen einer Baustelle wurden hier drei Ampelanlagen vorübergehend abgeschaltet. Ein paar Störungen gebe es immer, sagt Kontrollinspektor Johann Rath, der stellvertretende Leiter der Verkehrsleitzentrale. Etwa 1000 Störungen an Ampelanlagen gibt es in Wien pro Jahr. Derzeit wird der Verkehr in der Stadt von 1268 „Verkehrslichtsignalanlagen“ (wie die Ampel im besten Bürokratendeutsch heißt) gesteuert, der Großteil hängt am Rechner in der Verkehrsleitzentrale, der wiederum von der Magistratsabteilung 33 („Wien leuchtet“) zur Verfügung gestellt wird. Wobei jede der 1268 Ampelanlagen mehrere Ampeln umfasst. Zu den größten – wie jener am Matzleinsdorfer Platz – zählen bis zu 80 Ampeln.

Rund um die riesige Wien-Karte können die Mitarbeiter, die an langen Schreibtischen mit vielen, vielen Monitoren sitzen, die Bilder von bis zu elf Verkehrskameras gleichzeitig übertragen und somit den Verkehrsfluss an den wichtigsten Punkten überblicken: 58 Kameras der MA33 – die meisten sind bei Ampeln installiert – hat die Verkehrsleitzentrale dafür zur Verfügung. Dazu kommen Kameras der Asfinag, über die sich der nicht immer unproblematische Verkehr auf den Stadtautobahnen überwachen lässt.

Eingriffe nur selten. Eine Kamera zeigt etwa den dichten Verkehr am Opernring, darunter sieht man, wie es sich stadtauswärts auf der Wienzeile an diesem Vormittag staut. Theoretisch könnten die Mitarbeiter jederzeit eingreifen und etwa die Grünphase auf dem betroffenen Abschnitt verlängern, um die Stauzeit zu verringern. Praktisch wird nur selten eingegriffen. Da die Ampelanlagen auf die umliegenden abgestimmt sind, „bringt man den Verkehrsfluss durcheinander, wenn man plötzlich eine Ampel abschaltet oder die Dauer der Rot- und Grünphasen ändert“, sagt Rath.

Denn die zentrale Steuerung der Ampeln ist durchaus ausgeklügelt: In der Stoßzeit am Morgen haben die Ampeln auf den zentralen Einfahrtsstraßen stadteinwärts längere Grünphasen. Am späten Nachmittag, wenn viele Autopendler die Stadt wieder verlassen, haben wiederum die Grünphasen stadtauswärts längere Intervalle.

Abends, wenn der Verkehr in der Stadt nachlässt, haben fast alle Ampeln längere Grün- und Rot-Phasen als untertags. Das alles erfolgt automatisch, das System ist für das ganze Jahr programmiert. Zudem gibt es laut MA33 – auch wenn der subjektive Eindruck vieler Autofahrer das Gegenteil nahelegt – sogenannte „grüne Wellen“. Straßenzüge also, an denen die Ampeln so geschaltet sind, dass der Autoverkehr bei maximal 50 km/h über mehrere Kreuzungen hinweg immer grünes Licht hat.

Ein großer Ausfall des Rechners sei noch nie vorgekommen, sagt Rath. Und selbst wenn, „würden die Ampeln in der Stadt weiter funktionieren“, läuft doch jede Ampel dank moderner Technik im Notfall auch ohne Verbindung zum Zentralrechner völlig autark.

Seit 2007 werden Wiens Ampeln von der MA33 auf LED-Technik umgerüstet. Äußerlich ändert sich nichts, im Inneren werden die alten Glühlampen sukzessive gegen moderne LED-Lampen getauscht. Die Stadt spart sich so bis zu 90 Prozent an Energiekosten.

Schon 1962 videoüberwacht. Die Bilder, die die Mitarbeiter der Verkehrsleitzentrale konzentriert verfolgen, werden nicht aufgezeichnet. „Sie dienen ausschließlich der Verkehrsüberwachung und -lenkung.“ Anders gesagt: Wenn die 20 Polizisten der Verkehrsleitzentrale, die hier in Schichten rund um die Uhr arbeiten, einen Autofahrer beobachten, der bei Rot in die Kreuzung einfährt, tun sie – nichts. Dürften sie auch gar nicht: Aus Datenschutzgründen dürfen sie nicht an das Kennzeichen heranzoomen, obwohl das technisch möglich wäre.

Eine wesentliche Aufgabe der Verkehrsleitzentrale ist es – neben der Kontrolle der Ampelanlagen –, bei Unfällen die Einsatzkräfte zu alarmieren und laufend Verkehrsberichte über Staus und Unfälle zu verfassen, die etwa an Radiosender übermittelt werden.

Auch wenn die Videoüberwachung als relativ neues Phänomen gilt: In der Verkehrsleitzentrale greift man schon lange darauf zurück. Schon bei ihrer Eröffnung 1962 gab es hier mehrere Fernseher, mit deren Hilfe die Verkehrslage in Wien überwacht wurde. Die Arbeit hielt sich damals allerdings in Grenzen: 1962 gab es in Wien gerade einmal zehn Ampeln – allesamt rund um das Schottentor.

Geschichte

1914 wurde die erste elektrische Ampel in den USA installiert.

1926 bekam Wien die erste Ampel – an der Opernkreuzung.

1962 nahm die Verkehrsleitzentrale den Betrieb auf, in Kooperation mit der MA33 werden von der Rossauer Kaserne aus die Ampelanlagen der Stadt kontrolliert.

1964 gab es 49 Ampelanlagen, heute sind es 1268.

25 neue Ampelanlagen bekommt Wien jedes Jahr, etwa bei neuen Wohnanlagen oder in Stadtentwicklungsgebieten (Hauptbahnhof etc.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.08.2014)

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