Ukraine: Sanktionen gegen Russland greifen

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Deutschland stoppt einen 100-Millionen-Euro-Deal, 27.000 russische Touristen sitzen im Ausland fest, weil ihr Reisebüro pleiteging, und ein Milliardär muss wieder Linie fliegen.

Wien/Moskau. Von all den Konsequenzen, die Wladimir Putin für seine Ukraine-Politik in Kauf nehmen muss, hat ihm diese sicher die meisten Anrufe eingebracht: Gennadi Timtschenko, Hauptaktionär des Gasförderers Novatek und enger Freund des russischen Präsidenten, muss auf sein Privatflugzeug verzichten. Seine Gulfstream G650 (Listenpreis: 65 Millionen Dollar) werde wegen der EU- und USA-Sanktionen nicht mehr gewartet, klagte der Milliardär.

Am anderen Ende der Skala stehen die Passagiere der russische Billigfluglinie Dobroljot und Touristen des Reiseveranstalters Labirint. 27.000 Personen sitzen derzeit im Ausland fest, weil ihr Veranstalter im Zusammenhang mit der Ukraine-Krise pleitegegangen ist.

Labirint hatte am Wochenende den Betrieb eingestellt und die rapide sinkenden Buchungszahlen und den Wertverlust des Rubels als Gründe genannt. Labirint ist bereits der vierte russische Reiseveranstalter innerhalb von drei Wochen, der durch den Konflikt mit der Ukraine Konkurs gemeldet hat.

Am Sonntag hat auch die Fluglinie Dobroljot den Betrieb eingestellt und machte dafür die Wirtschaftssanktionen der EU verantwortlich. Europäische Vertragspartner würden angesichts der Strafmaßnahmen ihre Verpflichtungen gegenüber Dobroljot nicht mehr erfüllen, erklärte ein Sprecher. Dabei gehe es um die technische Wartung, die Versicherung und Leasingabkommen.

Dobroljot war erst im Oktober von der russischen Staatsairline Aeroflot gegründet worden und hatte auch die Schwarzmeerhalbinsel Krim angeflogen. Die aktuelle Krise ließ die Passagierzahlen einbrechen, Luftfahrtexperten mutmaßen daher, dass Aeroflot gar nicht undankbar war, einen Vorwand für das Aus der jungen Tochter zu haben.

Millionendeal gestoppt

Doch nicht nur in Russland zeigen die Sanktionen der EU Folgen. Auch auf europäische Firmen wirken sich die Strafmaßnahmen aus, wie das deutsche Unternehmen Rheinmetall am Montag feststellen musste. Das Wirtschaftsministerium widerrief seine Genehmigung für den Verkauf eines Gefechtsübungszentrums an das russische Militär. Bei dem Rüstungsgeschäft geht es um 100 Millionen Euro.

Rheinmetall will von einem endgültigen Aus nichts wissen und meinte, man verhandle noch mit der Bundesregierung. Im März hatte sich Firmenchef Armin Papperger noch zuversichtlich gezeigt: Der Auftrag sei fast abgearbeitet und beinahe vollständig bezahlt.

Dass er nun gestoppt wird, kommt für das Unternehmen auch deshalb überraschend, weil die EU von ihrem Moratorium für Rüstungsgeschäfte ausdrücklich bereits vereinbarte Geschäfte ausgenommen hat. Deshalb ist es möglich, dass Rheinmetall auf Schadenersatz klagt. Das Wirtschaftsministerium schließt das nicht aus, von der Firma wollte sich niemand dazu äußern.

Die russische Antwort auf die Sanktionen der EU treffen derzeit besonders europäische Bauern. Die Einfuhr von Obst und Gemüse aus Polen hat Moskau bereits verbieten lassen. Ähnliches könnte der ganzen EU drohen, wie griechische landwirtschaftliche Betriebe mutmaßen. Sie wollen Informationen haben, wonach Russland eine generelle Einschränkung von Importen von Obst und Gemüse plane. Griechenland würde das besonders hart treffen: Im vergangenen Jahr exportierte das wirtschaftlich angeschlagene Land Pfirsiche, Erdbeeren und Pelze im Wert von 400 Millionen Euro nach Russland.

Importverbot von Whiskey

Die Gründe für die Verhängung von Importverboten sind teilweise zweifelhaft. Im Frühjahr stoppte Moskau beispielsweise wegen Gesundheitsbedenken die Importe von 15 Fleisch- und Molkereiprodukten aus Österreich. Gestern drohte Russland mit einem Importverbot für US-Whiskey (Kentucky Bourbon), weil er gefährliche Substanzen enthalte. (ag./red.)

Auf einen Blick

Die Sanktionen der EU gegen Russland als Folge der Politik Moskaus in der Ukraine-Krise treffen vor allem die Reisebranche. In den vergangenen drei Wochen mussten bereits vier Reisebüros Konkurs anmelden, weil Buchungen zurückgingen und der Rubel an Wert verlor. Auch eine Billigfluglinie stellte den Betrieb ein. In Deutschland wurde ein Rüstungsdeal gestoppt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.08.2014)

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