Der Energiekonzern OMV baut für die Zeit nach den fossilen Energieträgern vor und will das „Gas-Portfolio um Wasserstoff erweitern“. Beim Erdgas aus Russland sieht man keine Probleme.
Wien. „Wir haben einen klaren Versorgungsauftrag. Da gibt es keinen Raum für Politik. Für diese gibt es zudem auch Kompetentere als mich.“ So reagierte OMV-Chef Gerhard Roiss am Montag am Rande einer Pressekonferenz auf Fragen über das Verhältnis mit Gazprom und den aktuellen Stand der Gaslieferungen. Bei Letzteren gebe es trotz des zunehmend eskalierenden Konflikts zwischen der Ukraine und Russland bisher keine Abweichungen von den vertraglich zugesicherten Mengen. „Unsere Speicher sind zu 84 Prozent gefüllt. Gegen Ende September/Anfang Oktober werden wir 100 Prozent Füllstand haben“, so Roiss weiter.
Wie lange die Speicher reichen würden, wenn es im Winter zu Lieferunterbrechungen käme, könne man nicht sagen. Denn dies hänge von verschiedenen Kriterien ab, sagt der OMV-Chef. Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner hat als Zeitspanne in der Vergangenheit meist von drei Monaten gesprochen, in denen sich Österreich aus den Speichern im Winter selbst versorgen könne. Roiss geht jedoch davon aus, dass Gazprom alles dafür tun würde, um die Kunden in Westeuropa in jedem Fall zu versorgen. Diesen Eindruck habe er bei seinen jüngsten Gesprächen gewonnen.
Sanktionen sind kein Problem
Von den Sanktionen der EU seien die Kontakte der OMV nach Russland wiederum überhaupt nicht betroffen. Dass Russland dennoch als Reaktion auf die Sanktionen die Gaspreise erhöhen könnte, ist für Roiss ebenfalls keine reale Gefahr. „Wir haben langfristige Verträge. Und diese sind ohnehin schon teurer als der Börsenpreis, da zurzeit zu viel Gas auf dem Markt ist.“
Doch eigentlich wollte Roiss an diesem Montag weniger über Erdgas (CH4) als vielmehr über Wasserstoff (H) sprechen. Dieser ist nach Ansicht der OMV nicht nur der wichtigste Energieträger in der Zeit nach den Fossilen. Er ist „auch ein Gas, um das wir unser Portfolio erweitern wollen“, sagt Roiss.
Dass Wasserstoff im Energiesystem der Zukunft eine wichtige Rolle spielen würde, war bereits vor rund 15 bis 20 Jahren eine populäre Annahme. Der damalige Hype machte jedoch „Versprechungen, die technisch nicht einlösbar waren“, sagt OMV-Innovationsleiter Walter Böhme. Dies sei nun anders. Obwohl auch jetzt das Thema noch bis zum Jahr 2030 brauchen werde, um in großem Stil auf dem Markt anzukommen.
Bis zu diesem Jahr sei es für die Autohersteller jedoch notwendig, eine breite Palette an Zero-Emission-Vehicles (also Fahrzeugen, die gar keine Emissionen mehr produzieren) anzubieten, um die von der Politik vorgegebenen CO2- und Schadstoffgrenzen einzuhalten. Dies unterscheide das Wasserstoffauto auch vom Erdgasauto, das vor rund zehn Jahren in aller Munde war und auf dem Markt gefloppt ist. „Das Gasauto war eine Erfindung der Gasindustrie. Die Autohersteller hatten aber keinen Vorteil davon und unterstützten es daher nicht“, so Böhme. „Das war auch bei uns ein ideologischer Streit. Wir haben uns 2011 aber für Wasserstoff entschieden“, so Roiss.
Viel höherer Energiegehalt
Wasserstoff hat gegenüber anderen Energieträgern eine Reihe von Vorteilen. So hat ein Kilogramm des Gases etwa den dreifachen Energiegehalt wie Benzin oder Diesel. Verglichen mit der Energie, die man in einem ein Kilogramm schweren Akku speichern kann, ist es sogar der dreihundertfache Energiegehalt. Zudem ist auch die Nutzung des Wasserstoffs effizienter. Im Auto wird er in einer Brennstoffzelle in Strom umgewandelt, der dann einen Elektromotor antreibt. Dies geschieht mit deutlich geringeren Wärmeverlusten als bei Benzin- oder Dieselmotoren. Konkret ist die Brennstoffzelle etwa doppelt so effizient wie herkömmliche Motoren. Der größte Vorteil ist jedoch das Fehlen von Emissionen. Aus dem Auspuff kommt bei einem Wasserstoffauto nur Wasser.
Warum sich das Ganze dann noch nicht durchgesetzt hat? Wasserstoff ist zwar das häufigste Element im Universum, allerdings kommt es nur in Verbindungen – etwa H2O – vor. Um ihn in Reinform zu erhalten, bedarf es viel elektrischer Energie, um ihn per Elektrolyse herauszulösen. Und das ist teuer. Laut Böhme will die OMV nun einen anderen Weg gehen. Zusammen mit dem Christian-Doppler-Labor an der Universität Cambridge wird an Prozessen gearbeitet, bei denen Wasser, dem ein Katalysator zugegeben wurde, sich in Wasserstoff und Sauerstoff aufspaltet, sobald Sonnenlicht darauffällt. In Summe will die OMV für die Wasserstoffforschung in den nächsten Jahren 20 Mio. Euro investieren. (jaz)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.08.2014)