Der junge Präsident des bedeutenden türkischen Lobbying-Vereins UETD hat ein Problem mit österreichischen Medien – wie zuletzt im ORF zu sehen war. Damit schadet er der eigenen Sache.
Wien. Muss man Abdurrahman Karayazili kennen? Nun, wenn man gesellschaftlich und politisch interessiert ist, schadet es nicht. Der 27-Jährige ist Präsident eines Vereins namens UETD und hat in dieser Funktion mehr Einfluss als so mancher Politiker. Die UETD, das Kürzel steht für Union Europäischer Türkischer Demokraten, ist durchaus eine Art Machtzentrum. Zuletzt mobilisierte sie in Wien zehntausende Austrotürken bei Veranstaltungen für den türkischen Premier, Recep Tayyip Erdoğan, und gegen die Politik Israels. Gleichzeitig sieht sich die NGO, die ursprünglich aus Deutschland stammt, als Anlaufstelle für die eigene Community nach außen genauso wie als Ansprechpartner für Wirtschaftstreibende und Journalisten, die mehr über Österreichs Türken erfahren wollen.
Dieser Dialog zwischen zwei Welten, die nach wie vor wenig übereinander wissen, gerät nun ins Stocken. Eine institutionelle Gesprächsbasis zwischen einer bedeutenden Teilmenge der 270.000 Türkischstämmigen und dem „alten" Österreich droht wegzubrechen. Der Grund heißt - siehe oben - Abdurrahman Karayazili. Die UETD in Österreich, oder präziser Karayazili als ihr Präsident, hat im Lauf der vergangenen Monate ihr eigenes Verständnis von Presse- und Meinungsfreiheit gelebt und gezeigt. In der Öffentlichkeit angekommen ist das zuletzt durch einen Eklat im Zuge eines Doppelinterviews in der „ZiB 24" im ORF anlässlich eines Zwischenfalls bei einem Fußballmatch von Maccabi Haifa in Bischofshofen. Karayazili verließ wütend vor laufender Kamera das Studio und seinen jüdischen Diskussionspartner.
Es folgte eine Welle des Hasses seiner Anhänger gegen die Moderatorin, die im Internet in Morddrohungen gipfelte. Die Aktion hat Symbolcharakter. Fünf Jahre ist es her, dass Erdoğan, für den Karayazili wirbt, in Davos mit Israels Ex-Präsidenten Schimon Peres vor laufender Kamera über den Gaza-Konflikt diskutierte. Wie Karayazili hielt Erdoğan seinem Gegenüber erst Gewaltszenen vor, die Israels Armee an palästinensischen Zivilisten begangen haben soll, und verließ dann zornig das Podium.
Karayazilis Verhalten scheint strategisch geplant zu sein. Die Inszenierung als „Opfer der Medien" inklusive entsprechender Gegenangriffe kommt bei den eigenen Anhängern gut an. Vor dem ORF bekamen das bereits mehrere Journalisten, unter ihnen vor allem Frauen, zu spüren. 2013 war Erdoğan per Video einer Kundgebung mit mehreren tausend Anhängern zugeschaltet. Der Premier sprach auf Türkisch zu ihnen. Eine Journalistin der Gratiszeitung „Heute" bat um eine Übersetzung. Karayazili lehnte ab. Das Gesagte sei nur für Türken bestimmt. Sollte sie dennoch darüber schreiben, seien eine Verfolgung via Anwalt sowie ein baldiges Karriereende nicht ausgeschlossen. Wenige Monate später verweigerte Karayazili derselben Journalistin die Zulassung für Erdoğans Auftritt in der Wiener Albert-Schultz-Halle.
Wiener Wahlkampf zu Ende
Auch in der „Presse" versuchte er, kritische Berichte über Erdoğan, der in seiner Heimat in einen Korruptionsskandal verwickelt sein könnte, mit Anwaltsdrohungen zu unterbinden. Ohne Erfolg.
Die Liste jener, die nach Auffassung von Karayazili und anderen Funktionären der UETD lieber weniger als mehr über ihn, Erdoğan und dessen Partei, die AKP, berichten sollen, ist lang. Auf ihr stehen u. a. die Namen „Standard" und „Österreich", mit dem „Kurier" wollte er nur sprechen, wenn der Bericht „loyal" verfasst sei, mit der „Presse" lieber gar nicht. „Aber danke, dass Sie angerufen haben."
Eine weitere ORF-Journalistin, sie ist türkischer Abstammung, wurde von einem UETD-Mitglied gemeinsam mit anderen Journalisten gleich im Internet an den Pranger gestellt: „Glauben Sie, dass Sie es zu etwas bringen werden, indem Sie Ihre eigenen Leute schlechtmachen? Wir schämen uns für euch."
Zumindest in den nächsten Wochen dürften Karayazili und die UETD leisertreten. Denn vergangenen Sonntag war in Wien Abgabeschluss für die türkischen Präsidentenwahlen, die am kommenden Sonntag stattfinden. Wenn es denn mithilfe medialer und anti-israelischer Provokationen tatsächlich Stimmen für Erdoğan zu holen gab (wobei die Wahlbeteiligung gering war), so ist die Schlacht jetzt geschlagen. Karayazili brach am Dienstag seine Zelte in Wien ab und reiste in die Türkei. „Um Urlaub zu machen", wie er sagt.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 6. August 2014)